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Marxismus – Nicht nur für Einsteiger

Marxistische Blätter 2_2024

von Lothar Geisler (Leitende:r Herausgeber:in)
184 Seiten
Reihe: Marxistische Blätter, Band 2_2024

Zusammenfassung

Das Thema: Drei Quellen und drei Bestandteile, Holger Wendt; Wissen, wie es geworden ist…, Raimund Ernst; Klassen, Kampf und Bewusstsein, Jonathan White (GB); Materialismus, Claudius Vellay; Dialektik, Nina Hager; Was ist Ausbeutung?, Ulf Brandenburg; Waren und Warenproduktion, Klaus Müller; Über die menschliche Natur, Werner Zimmer-Winkelmann; Arbeiterlied und Gegenkultur, Georg Klemp
Kommentare: Ukraine-Krieg, Kerstin Kaiser, Fred Schmid; Gaza-Krieg, Niall Farrell (Irland), Joachim Guilliard; IGMetall und Rüstung, Anne Rieger; Linke Migrationspolitik, Artur Pech; Europawahl/Parteien in Europa, Ulrich Schneider, Vladimiro Giacché, Franz-Stephan Parteder; Bauernstreiks, Anke Schwarzenberg (MdL)
Bei anderen gelesen: Innen-Ansichten aus Russland, Kerstin Kaiser; Russische Stimmen zur Verurteilung von Boris Kagarlitzki, Dimitrij Rodionow
Kalenderblatt: Immanuel Kant (1724–1804), Hermann Klenner
Positionen: Warum die Partei nützlich sein muss, Tobias Schweiger (KPÖ); Sozialismus und Jugend, MarxLenin P. Valdés (Havanna/Kuba); Keine Klimagerechtigkeit ohne Frieden, Anne Rieger; Lateinamerika und das Ende der westlichen Vorherrschaft, Peter Gärtner; Weshalb Portugal eine neue Agrarreform braucht, Martin Leo (Lagos/Portugal)
Berichte, Diskussion, Rezensionen
Beilage: Russland besser verstehen, Joachim Hösler

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einwurf von Links

Kerstin Kaiser

Solange die Waffen nicht schweigen, können die Menschen weder in der Ukraine noch in Russland über ihre Interessen, politische Kompromisse oder Konsense nachdenken. Kriegsgeschehen schließt Demokratie und Menschenrechte auf allen Seiten aus.

Derzeit würde wohl die Mehrheit der russländischen Politik und Gesellschaft es nicht akzeptieren, im Ergebnis von Verhandlungen die östlichen Gebiete der Ukraine und die Krim vollständig »aufzugeben«. Das aber kann und darf nicht die Weigerung von Politiker:innen weltweit rechtfertigen, offensiv, ununterbrochen und gewaltfrei mit allen am Krieg Beteiligten die Bedingungen für einen Waffenstillstand und das Danach auszuloten. Für uns in Deutschland und der EU heißt das, uns kompromisslos und radikal gegen die Kriegspolitik aller Regierungsparteien und der CDU/CSU zu stellen.

Folgen wir Rosa Luxemburgs Gedanken: »Es ist eben der Krieg als solcher und bei jedem militärischen Ausgang, der die denkbar größte Niederlage für das europäische Proletariat bedeutet.« Der Krieg selbst ist das Kriegs-Verbrechen. Wer ihn vorbereitet oder nicht verhindert, trägt dafür Verantwortung. Nicht erst seit dem Outing von Ex-Kanzlerin Merkel wissen wir, dass deutsche Regierungspolitik diesen Krieg nicht verhindert, sondern politisch befördert hat. Verletzt wurde das Gebot der Friedenspflicht im Grundgesetz. Waffenlieferungen in einen laufenden Krieg und ihre schrille Begleitmusik, die Ausbildung ukrainischer Militärangehöriger für den direkten Fronteinsatz überschreiten die rote Linie der Kriegsbeteiligung und sind ein Teil deutscher Kriegstüchtigkeit.

Das Versagen der Partei DIE LINKE und großer Teile der gesellschaftlichen Linken auf diesem Feld war nicht zufällig der letzte Anstoß für das Fortdauern ihrer existenziellen Krise.

Über Jahrzehnte ist es den linken Kräften in Europa nicht gelungen, internationalistisch – gemeinsam und solidarisch – um Aufklärung zu ringen, was die Geschichte der Sowjetunion und der anderen Staaten des Warschauer Vertrages hinterlassen hat und wie ein neues Europa zu gestalten sein könnte. Linke Kräfte in Ost und West konnten der NATO-Osterweiterung, der EU-Außenpolitik und der Militarisierung von Denken und Politik auf der einen Seite genauso wenig entgegensetzen, wie dem Anspruch Russlands als Machtakteur im postsowjetischen Raum auf der andern. Es lag auch am subjektiven Faktor: Es fehlten Interesse, Wissen und Kommunikation …

Linke Politik muss eigenständig den Grundsätzen von Humanismus und Menschenrechten, von Aufklärung und Gewaltfreiheit, von Emanzipation und Solidarität folgen. Machtkritik und Dissidenz gegenüber den Herrschenden im jeweiligen Land erfordern eine eigene analytische Perspektive, die herrschende Meinungen und Narrative immer infrage zu stellen hat und das Kielwasser der Herrschenden verlässt. Will die internationale Linke in dem sich herausbildenden globalen Kriegsregime überhaupt noch eine Rolle spielen, muss sie mit Hochdruck an der Bildung tragfähiger und wirkungsmächtiger internationalistischer Beziehungen arbeiten. Sie darf sich nicht für die neue Blockbildung vereinnahmen lassen. Eine Linke, die sich im nationalen Rahmen bewegt, bleibt ohne Einfluss am Rand des Geschehens. Sich dann im Kriegsfall mehr oder weniger aggressiv im Namen der Menschenrechte, des Rechts auf (Selbst-)Verteidigung, der Werte und der Demokratie oder des Kampfs gegen Autokratien auf die Seite des »Vaterlands« zu schlagen ist ein Irrweg, der an den Rand linker Theorie und Praxis geführt hat.

(Leicht gekürztes Schlusskapitel aus dem in dieser Ausgabe dokumentierten Beitrag der Autorin.)

In gemeinsamer Sache

Klarstellung 1: »Gramsci-Tage«

Die 16. Braunschweiger Gramsci-Tage, über die wir in der letzten Ausgabe berichtet haben, wurden an zwei Tagen von jeweils »über 100« Teilnehmenden besucht. In der Endredaktion des Berichtes von Timo Reuter haben wir daraus (in alter UZ-Pressefest-Zählweise) »rund 200« gemacht. Unser Fehler, nicht der des Autors. Sorry. Ein Besucherrekord mit erfreulich viel Jüngeren war es trotzdem.

Buchvorstellungen

Unsere Mitherausgeber Artur Pech und Ulrich Schneider machen Veranstaltungen zur Vorstellung ihrer neuen Bücher »Marx und Engels über Migration« und »Die ›Weltliga der Antifaschisten‹ 1923/24«. (Siehe Seiten 14 und 22) Wer ebenfalls eine Veranstaltung planen möchte, wende sich bitte an log@neue-impulse-verlag.de. Wir stellen gerne den Kontakt her.

Zum zweiten Mal in Havanna dabei

Auch beim 2. internationalen Treffen politisch-theoretischer Zeitschriften von Parteien und linken Bewegungen – organisiert von »Cuba Socialista« – hat uns Jenny Farrell als Mitherausgeberin der Marxistischen Blätter vertreten. (Siehe Bericht auf Seite 9) Als »Give away« oder auch »Visitenkarte« hatten wir ausreichend USB-Sticks mit unserer Jubiläumsausgabe »Mut und Marxismus« mitgegeben und dabei neue Kontakte gewonnen.

»Russlands Linke vor der Wahl« …

… war das Thema einer gemeinsamen ViKo des Herausgeberkreises und des »Treffpunktes Redaktion«. Als kompetente Gesprächspartnerin stand den 30 Teilnehmenden Kerstin Kaiser, bis Mai 2022 langjährige Büroleiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau, zur Verfügung. In dieser Ausgabe veröffentlichen wir ihren Beitrag zu »Russischen Innenansichten«. (siehe Seite 97)

Großer Dank

Über 23.000 Euro haben Leser und Freunde (m/w/d) der Marxistischen Blätter anlässlich unseres 60. Geburtstages im Jahr 2023 gespendet! Das ist mehr als doppelt so viel wie in den Vorjahren. Zusätzlich sind im 3. Quartal 5.000 Euro für die medizinische Kuba-Solidarität zusammengekommen. Dafür gebührt allen Spender:innen ein riesengroßes Dankeschön von Redaktion, Verlag und Herausgeberkreis! Wir werten dieses Ergebnis als gewachsene Zustimmung und Wertschätzung unserer Arbeit. Wer mehr als 200 Euro spenden konnte, hat als kleines Dankeschön unser wunderbares Geschenkbuch »Lob des Kommunismus« erhalten. Und für alle Leser:innen bemühen wir uns weiterhin -auch in schwierigster Lage- mit jeder Ausgabe um die bestmöglichen Marxistischen Blätter.

Klarstellung 2: »Selbstfinanzierung der Marxistischen Blätter«

Die in unseren Spendenaufrufen seit vielen Jahren benutzte Formulierung, die Marxistischen Blätter würden »von keiner Partei oder Stiftung « finanziell unterstützt, hat in der Führung der Partei, der wir nahestehen, zu unvorhergesehener Irritation geführt. Schließlich würden ja Spendengelder über das Konto der DKP-Recklinghausen an uns weitergeleitet. Stimmt. Aus Gründen. Wir werden also zukünftig der Eindeutigkeit halber schreiben: die Marxistischen Blätter werden »ausschließlich von ihren Leser:innen finanziert«. Wie lange wir »ausschließlich« schreiben, hängt davon ab, ob uns nahestehende »Dritte« zu Spenden für die Marxistischen Blätter aufrufen oder uns mit eigenen Mitteln finanziell unterstützen. Worüber wir dann gerne informieren. LoG

Den Krieg nach Russland tragen?

Fred Schmid

… Mit dem Krieg Israels gegen Gaza und der einseitigen Parteinahme Washingtons und der meisten EU-Mitgliedsstaaten, sowie der Doppelmoral angesichts des israelischen Umgangs mit Menschenrechten und Völkerrecht, hat sich die Kluft zwischen dem Globalen Süden und den USA und ihren Verbündeten noch weiter vertieft. Dass die USA bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat am 20. Februar des Jahres einsam und allein ihr Veto einlegen mussten, um einen Waffenstillstand in Gaza zu verhindern, spricht Bände. Ebenso, dass bei der Vollversammlung der UNO am 12. Dezember 2023 nur acht Länder mit Israel und den USA gegen einen sofortigen Waffenstillstand stimmten.

Chinas Aufstieg zur Supermacht, das Comeback Russlands als Großmacht, die Großmachtambitionen Indiens und anderer Schwellenländer, das selbstbewusste Auftreten der BRICS – aus alledem folgt, die Dominanz des Westens über die Weltpolitik ist Vergangenheit. Das ist die eigentliche Zeitenwende.

Allerdings ist das jetzt eine sehr gefährliche Situation. Der Westen steckt in dem Dilemma, entweder die Aussichtslosigkeit eines militärischen Sieges zu akzeptieren und dem Kreml ein Verhandlungsangebot zu machen, das diesem so weit entgegenkommt, dass er Interesse an Verhandlungen bekommt. Oder es müsste dramatisch eskaliert werden. Und zwar weit über die Taurus-Raketen hinaus, die zwar unangenehm für Russland wären, aber so wenig ein Game-Changer wie früher die Leopard-Panzer oder HIMARS-Raketen. Eine solche Eskalation aber birgt wiederum das Risiko einer Ausweitung des Krieges mit unkalkulierbaren Folgen.

Frankreich ist bereit zu eskalieren

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron scheint das Risiko dieser Eskalation nicht zu scheuen. Bei einer Hilfskonferenz für die Ukraine in Paris haben über 20 Länder mehr und schnellere Hilfe für die Ukraine beschlossen. Macron kündigte zudem eine neue Koalition für die Lieferung von Mittel- und Langstreckenraketen an. Auch der Einsatz von westlichen Bodentruppen wird von Emmanuel Macron inzwischen nicht mehr ausgeschlossen. Nichts sei ausgeschlossen, um einen russischen Sieg in der Ukraine zu verhindern, sagte Macron nach Abschluss einer Ukraine-Hilfskonferenz am gestrigen Abend (26.2.) in Paris.

Bei dem Treffen von über 20 Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), habe es zwar keine Einigkeit zum Einsatz von Bodentruppen gegeben, sagte Macron. »Aber in der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden. Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann.« Eine russische Niederlage sei nötig für die Stabilität und Sicherheit in Europa. Deshalb müssten sich die Unterstützer der Ukraine einen Ruck geben.

Auf die Frage eines möglichen Einsatzes von Truppen durch Polen sagte Macron, jedes Land könne eigenständig und souverän über den Einsatz von Bodentruppen entscheiden.

Vor seiner Abreise zu dem Pariser Treffen hatte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico vor einer »gefährlichen Eskalation der Spannungen« mit Russland gewarnt. Einzelne Länder, die er nicht namentlich nennen wollte, seien offenbar bereit, eigene Soldaten direkt in die Ukraine zu schicken. Das aber würde Russland nicht zum Einlenken bewegen, sehr wohl aber die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts vergrößern.

Der französische Oppositionsführer Jean-Luc Mélenchon erklärte: »Die Entsendung von Truppen in die Ukraine würde uns zu Kriegsparteien machen. Ein Krieg gegen Russland wäre Wahnsinn. Diese kriegerische verbale Eskalation einer Atommacht gegen eine andere große Atommacht ist bereits ein unverantwortlicher Akt. Das Parlament muss eingeschaltet werden und »Nein« sagen. Es darf keinen Krieg geben! Es ist höchste Zeit für Friedensverhandlungen in der Ukraine mit gegenseitigen Sicherheitsklauseln!«

Stoltenberg: Kein Einsatz von NATO-Truppen in Ukraine geplant

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte nach den Äußerungen des französischen Präsidenten, dass die NATO keine Pläne habe, Kampftruppen in die Ukraine zu schicken. Er schränkte jedoch ein, dass der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung zustehe, »und wir haben das Recht, sie bei der Wahrung dieses Rechts zu unterstützen«. Vor der Münchner Sicherheitskonferenz hatte Stoltenberg geäußert, dass sich die NATO auf eine »jahrzehntelange Konfrontation mit Russland« vorbereiten müsse.

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk äußerte sich skeptisch gegenüber den Ideen eines Einsatzes von westlichen Bodentruppen in der Ukraine. Allerdings wolle er zum jetzigen Zeitpunkt nicht spekulieren, ob es in der Zukunft unter bestimmten Unterständen zu einer Änderung dieses Standpunktes kommen könne.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Überlegungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine eine Absage erteilt. Auch für die Zukunft gelte, »dass es keine Bodentruppen, keine Soldaten auf ukrainischem Boden gibt, die von europäischen Staaten oder Nato-Staaten dorthin geschickt werden«, sagte Scholz. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass der Kanzler von ihm vorher gezogene »rote Linien« überschreiten würde.

Den Krieg nach Russland tragen

Auch die Grünen halten nichts von Überlegungen zur Entsendung von Bodentruppen. Vizekanzler Robert Habeck erklärte, es sei immer klar gewesen, dass das keine Option sei. Die Partei warb zu Beginn einer Klausur der Bundestagsfraktion in Leipzig stattdessen erneut für eine Lieferung von »Taurus«-Marschflugkörpern.

Sie treffen sich dabei mit dem CDU-Wehrexperten Roderich Kiesewetter, der den Krieg um die Ukraine massiv eskalieren und den Krieg nach Russland tragen will, um dort russische Ministerien zu zerstören. Dafür müsse die Bundesregierung die entsprechenden Waffen liefern.

»Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände.« Roderich Kiesewetter (CDU), DW, 9.2.2024 (https://www.dw.com/de/kiesewetter-den-krieg-nach-russland-tragen/a-68215200)

Doch es sind nicht nur Kiesewetter, Flack-Zimmermann, Hofreiter und Co, die zum letzten Gefecht trommeln.

In einem vom Bundestag am 22. Februar beschlossenen Antrag der Ampelfraktion wir die Bundesregierung gemeinsam aufgefordert, weitere Waffen an die Ukraine zu liefern – und zwar Systeme, die weit hinter die russische Frontlinie reichen. »Insbesondere muss die Ukraine auch künftig in die Lage versetzt werden, Angriffe auf militärische Ziele wie Munitionsdepots, Versorgungsrouten und Kommandoposten weit hinter den Frontlinien durchzuführen«, heißt es im Beschluss.

»Wer mit deutschen Waffen den Krieg nach Russland tragen will, der trägt den Krieg nach Deutschland …« Sahra Wagenknecht, (MdB, BSW)

Leicht gekürzt aus: https://isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5205-macron-einsatz-von-bodentruppen-nicht-mehr-ausgeschlossen

Zu IG Metall und Aufrüstungspakt

Nicht zuschauen

Anne Rieger

Wer als Gewerkschaftsmitglied das Papier »Souveränität und Resilienz sichern« liest, gerät ins Schaudern. Bei diesem Aufrüstungspakt, der den Untertitel »Industriepolitische Leitlinien und Instrumente für eine zukunftsfähige Sicherheits- und Verteidigungsindustrie« trägt, handelt es sich um ein gemeinsames Positionspapier von Teilen der IG Metall, dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie BDSV und dem SPD-Wirtschaftsforum. Darin werden unter anderem der »internationale Wettkampf um die Ressourcen der Arktis, die Sicherheit neuer Seewege im Nordatlantik, die wachsenden geopolitischen Spannungen am Indo-Pazifik« als sicherheitspolitische Herausforderungen bezeichnet.

Das erinnert an die Äußerung von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) im Jahr 2002 anlässlich des Krieges gegen Afghanistan: »Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.« Offensichtlich lassen sich Teile der IG Metall vereinnahmen von der Politik der Bundesregierung. Die verkündet: Wir wollen »kriegstüchtig« (Boris Pistorius) werden oder – wie Bundeskanzler Olaf Scholz es formuliert – »in Europa bald über die größte konventionelle Armee im Rahmen der NATO verfügen«.

Geworben wird damit, dass die »Verteidigungsfähigkeiten« in den Dimensionen Land, Luft und See weiterentwickelt werden müssten. Hatte der IGM-Gewerkschaftstag im Herbst noch mit großer Mehrheit beschlossen: »Wir setzen uns mit Nachdruck für diplomatische Lösungen auf allen möglichen Ebenen und über alle Kanäle ein. (…) Die Eskalations- und Rüstungsspirale darf sich nicht weiterdrehen« und man setze sich »gemeinsam für Rüstungskonversion ein«, scheint sich unter dem neu gewählten 2. Vorsitzenden der IG Metall, Jürgen Kerner – ohne Mehrheitsbeschluss – ein Pakt mit der Rüstungsindustrie anzubahnen beziehungsweise zu vertiefen. Der Kurs der Metallerinnen und Metaller soll in Richtung Aufrüstung verschoben werden. Da können wir nicht zuschauen.

Um die IGM-Gewerkschaftsmitglieder auf diesem Weg mitzunehmen, werden mal wieder die Arbeitsplätze hervorgehoben, die durch die Aufrüstungsproduktion in Deutschland gesichert würden. Auf der Homepage des BDSV ist die Rede von 409.100 direkten und indirekten Beschäftigungsverhältnissen in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Bei 46 Millionen Erwerbstätigen ist das lediglich ein Prozent – quantitativ kein hoher Anteil.

Qualitativ allerdings brauchen wir diese »hochmotivierten, hervorragend qualifizierten Beschäftigten auf technisch anspruchsvollen (…) Arbeitsplätzen«, wie Kerner sie lobt. Ganz andere Aufgaben, nicht die in der rückwärtsgewandten Rüstungsindustrie, stehen auf der Tagesordnung: Wir brauchen die Kompetenz der Beschäftigten für eine zukunftsfähige, moderne Gesellschaft. Produkte und Dienstleistungen für eine klimafreundliche, klimaneutrale Gesellschaft müssen entwickelt werden.

Was ist zu tun? Wir können uns als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter nicht das Heft des Handelns von einzelnen Vorstandsmitgliedern beziehungsweise Teilen der IG Metall im Verbund mit der Rüstungsindustrie aus der Hand nehmen lassen. Die Sorge der Beschäftigten in der Rüstungsindustrie um ihre Arbeitsplätze nehmen wir ernst. Deswegen müssen wir, die Friedens-, die Klima-, die Sozialen Bewegungen, gemeinsam mit ihnen Alternativen zum Aufrüstungskurs der Ampelregierung und Alternativen zur Rüstungsproduktion entwickeln. Konversion – sozialökologische Transformation – ist möglich, das haben viele einzelne Beispiele gezeigt.

Das aktuell Wichtigste ist, die Gewerkschaftliche Friedenskonferenz am 14. und 15. Juni in Stuttgart in diesem Sinne überall vorzubereiten. Zuvor schmücken wir den 1. Mai mit Friedensfahnen, schreiben offene Briefe an Kerner – wie der Friedensrat Markgräflerland. Der Schulterschluss von Friedens- und Gewerkschaftsbewegung muss aktiviert und die Zusammenarbeit mit der Zivilklauselbewegung forciert werden.

Wie verlogen die Argumentation ist, es ginge um Arbeitsplätze und Wertschöpfung hierzulande, zeigt sich bei Rheinmetall. Am Rande der Sicherheitskonferenz in München hat der Rüstungskonzern eine Absichtserklärung mit der »Ukrainian Defense Industry« (UDI) unterzeichnet. Das Joint Venture will ein neues Artilleriewerk in der Ukraine bauen. Der Dax-Konzern wird 51 Prozent der Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen halten, UDI die verbliebenen 49 Prozent, berichtete das »Handelsblatt«.

»Gewerkschafter gegen Aufrüstung«

»Die Gewerkschaften müssen sich un­über­hörbar für Friedensfähigkeit statt ›Kriegstüchtigkeit‹ einsetzen, für Abrüstung und Rüstungskontrolle, Verhandlungen und friedliche Konfliktlösungen. Für Geld für Soziales und Bildung statt für Waffen. ›https://gewerkschaften-gegen-aufruestung.de/auszuege-aus-aktuellen-positionen-der-gewerkschaften/‹ Das ergibt sich aus ihrer Tradition und ihren Beschlüssen. Auch und besonders in den aktuellen Auseinandersetzungen um die internationale Politik und um die Haushaltspolitik!

Wir fordern unsere Gewerkschaften und ihre Vorstände auf, den Beschlüssen und ihrer Verantwortung gerecht zu werden! Die Gewerkschaften müssen sich laut und entschieden zu Wort melden und ihre Kraft wirksam machen: gegen Kriege und gegen Aufrüstung!«

Das sind die letzten Zeilen eines Aufrufs von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern an die Vorstände des DGB und der Einzelgewerkschaften, sich gemäß der Beschlusslage und ihren Beteuerungen in die friedens-, besser kriegspolitischen Diskussionen öffentlich einzumischen. Die Gewerkschaften müssen endlich hörbar werden in dieser unsäglichen Diskussion und dem Geschrei nach mehr und immer noch mehr Waffen.

Wenn Ihr den Aufruf für richtig und notwendig haltet, könnt ihr ihn auf der Seite »Gewerkschaften gegen Aufrüstung« unterzeichnen.

https://gewerkschaften-gegen-aufruestung.de/

Nach Irland oder in die Wüste

Niall Farrell

Am 5. November 2023 zitierte die Times of Israel Minister Amichai Eliyahu, dass das palästinensische Volk »nach Irland oder in die Wüste gehen kann«, der hinzufügte, dass alle, die eine palästinensische oder eine Hamas-Flagge schwenken, »nicht mehr auf der Erde leben sollten«. Diese menschenverachtende Äußerung schloss also die Iren gleich mit ein. Warum?

Irland gilt als propalästinensischstes Land in Europa. Das nimmt kaum Wunder, denn Irlands Geschichte als erste und älteste Kolonie Europas wird hierzulande noch heute sehr deutlich erinnert und lebt in den Nachfahren der kolonialen Siedler, den »Protestanten« im Norden Irlands, sowie den entrechteten »Katholiken« nach. Hier besitzen gerade die israelischen und palästinensischen Fahnen ungeheure Symbolkraft und sind ständig im Straßenbild präsent. »Katholiken« haben bis in die jüngste Vergangenheit am eigenen Leibe erfahren, was Besatzung, vorsätzliche Tötung durch »Sicherheitskräfte« und Apartheid bedeuten.

Vor diesem Hintergrund gab es in Irland auch dreißig Jahre lang eine starke politische und auch Streik-Bewegung gegen die Apartheid in Südafrika, die u. a. den Boykott südafrikanischer Waren durchsetzte. Die breite, auch internationale Unterstützung konnte bis zum Ende des Apartheid Regimes aufrecht erhalten werden und bedeutete den ersten totalen Boykott südafrikanischer Importe durch eine westliche Regierung.

So war Irland auch 1980 das erste Land der damaligen EG, das die Gründung eines souveränen, von Israel unabhängigen palästinensischen Staates befürwortete sowie die PLO anerkannte.

In jüngerer Zeit verstärkten sich die Bemühungen zur Unterstützung der Palästinenser. 2014 verabschiedete das Parlament Anträge, in denen die formelle Anerkennung des Staates Palästina gefordert wurde. 2018 nahm es einstimmig einen Gesetzesvorschlag an, der den »Handel mit und die wirtschaftliche Unterstützung von illegalen Siedlungen in völkerrechtswidrig besetzten Gebieten« verbieten und unter Strafe stellen würde – ein Gesetz, dessen Ratifizierung durch die konservative Fine Gael blockiert wird. Sowohl Sinn Féin als auch Fianna Fáil wollen das Gesetz über die besetzten Gebiete in Kraft setzen. Der Fine-Gael-Politiker Alan Shatter indessen unterhält enge Beziehungen zu zionistischen Kreisen und erklärte in einem Meinungsbeitrag für die Jerusalem Post, dass das Außenministerium die Umsetzung des Gesetzes verhindern würde. Sein Parteigenosse Außenminister Simon Coveney bestätigte 2019 in Israel, dass die Regierung das Gesetz »effektiv blockiert« habe.

Im Mai 2021 verurteilte das Parlament einstimmig Israels »De-facto-Annektierung« palästinensischer Gebiete als Verstoß gegen das Grundprinzip des Völkerrechts. Nach eigenen Angaben wurde hier erstmals durch eine Regierung der EU der Begriff ›Annexion‹ in Bezug auf die israelische Besatzung angewendet.

Die prominente, international bekannte irische Autorin Sally Rooney kam 2021 in die Schlagzeilen, weil sie aus Solidarität mit dem palästinensischen Volk und im Zuge der hierzulande starken BDS-Bewegung Israel die Übersetzungsrechte ihres Romans »Schöne Welt, wo bist du?« verweigerte.

Im November 2022 rief Trócaire gemeinsam mit 17 anderen irischen NRO die irische Anti-Apartheid-Kampagne ins Leben und forderte Irland auf, »öffentlich anzuerkennen, dass der Staat Israel das Verbrechen der Apartheid gegen das palästinensische Volk begeht, und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um dieses ›crime against humanity‹ zu beenden«.

Irland gehörte zu den ersten westlichen Nationen, die sich im Oktober 2023 sofort gegen den Krieg gegen das palästinensische Volk aussprachen, sich für einen Waffenstillstand einsetzten. Selbst der konservative Fine-Gael-Premier Leo Varadkar fühlte sich aufgrund der Stimmung im eigenen Lande verpflichtet, sich gegen Ursula von der Leyens Vorgehen zu verwahren und sagte, »dass es der EU an Ausgewogenheit fehle, wenn sie Israel Rückendeckung gebe, ohne zu fordern, dass das Vorgehen in Gaza mit dem Völkerrecht unvereinbar sei«.

Mary Lou McDonald, Chefin der Oppositionspartei Sinn Féin, äußerte, von der Leyens »uneingeschränkte Unterstützung für Israels unbarmherzigen militärischen Angriff« auf die Menschen in Gaza und ihr Versäumnis, den Vorrang des internationalen Rechts geltend zu machen, sei »rücksichtslos, aufrührerisch und gefährlich«. Sie fügte hinzu, dass, wenn die internationale Gemeinschaft das Vorgehen Israels nicht beim Namen nennt »und nicht geschlossen dagegen auftritt, dann wird dies als das entscheidende Versagen unserer Generation in die Geschichte eingehen«. Sinn Féin gehört zu den propalästinensischsten politischen Parteien Europas, die mit einer großen Mehrheit bei Meinungsumfragen Aussicht auf einen baldigen Wahlsieg haben.

Die großartige irische EU-Abgeordnete Clare Daly erklärte, von der Leyen habe »keine Autorität in auswärtigen Angelegenheiten, sie spricht nicht für mich, sie spricht nicht für Irland und sie spricht nicht für die Bürger Europas. Wir stehen für Frieden, wir stehen für Gerechtigkeit für die Menschen in Palästina und für die Wahrung des Völkerrechts.«

Mehrere Oppositionsparteien haben sich für die Ausweisung der israelischen Botschafterin aus Irland eingesetzt. Doch während die irische Botschafterin in Tel Aviv vom dortigen Außenministerium regelmäßig gemaßregelt wird, bleibt ihr Counterpart in Dublin unbehelligt.

Die irische Anwältin Blinne Ní Ghrálaigh, die auch Südafrika beim IGH vertritt, beschrieb ausführlich das Ausmaß des anhaltenden Terrors in Gaza und sagte: »Es wird immer deutlicher, dass große Teile des Gazastreifens – ganze Städte, Dörfer, Flüchtlingslager – von der Landkarte getilgt werden.« Frau Ní Ghrálaigh ergriff ihren Beruf aufgrund eines Beispiels britischer Gewaltherrschaft in Irland: Die Ermordung der 12-jährigen Majella O’Hare 1976 auf dem Weg zur Kirche, die von einem britischen Fallschirmjäger erschossen wurde und in den Armen ihres Vaters starb. Die Anwältin sagt über die Wirkung, die dieser Mord auf sie hatte: »Ich denke, es lag an ihrem Alter, an der Tatsache, dass niemand zur Rechenschaft gezogen wurde, und an den Umständen der Tötung – dass sie erschossen wurde, als sie mit einer Gruppe anderer Kinder eine Landstraße entlanglief.«

Bei Redaktionsschluss verhandelt Irland mit anderen EU-Mitgliedern über eine Überprüfung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens aufgrund möglicher Menschenrechtsverstöße seitens Israels. Ebenso führt Irland Gespräche mit EU-Ländern, die eine gemeinsame Anerkennung Palästinas unterstützen und die Möglichkeit gleichberechtigter Verhandlungen für eine Zwei-Staaten-Lösung nach Ende des Gaza-Krieges schaffen könnten. Klar ist: Während Palästinenser hier immer willkommen sind, können Israels Kriegstreiber und ihre Apologeten in die Wüste gehen, wenn sie wollen, aber nicht nach Irland.

»Achse des Völkermordes«

Joachim Guilliard

Der Eilentscheid des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 26.01.2024 in der Völkermordanklage Südafrikas gegen Israel wird überwiegend als schwerer Schlag von erheblicher internationaler Bedeutung gegen Israel wie auch seine Förderer gewertet. Der IGH hat keinen Waffenstillstand angeordnet, er verpflichtet Israel aber, alle völkermörderischen Handlungen zu unterlassen bzw. zu verhindern und in ausreichendem Umfang humanitäre Hilfe für den Gazastreifen zu ermöglichen.
Politisch bedeutsam ist vor allem die Feststellung des Gerichtshofs, dass Südafrikas Völkermordvorwurf begründet und plausibel ist. Damit stellt er auch die Bundesregierung bloß, die Südafrikas Anklage als absurd und bar jeder Grundlage abkanzelte.

Es war klar, dass eine IGH-Entscheidung die israelischen Angriffe nicht stoppen kann. Israel hat seit seiner Gründung alle völkerrechtlich verbindlichen Beschlüsse der UNO und seiner Organe straflos ignoriert. Der durch das IGH-Urteil erhärtete Vorwurf des Völkermords ist dennoch ein schwerer Schlag für Israels Bemühungen um sein Ansehen in der Welt. Schließlich spielt der Verweis auf den Völkermord an europäischen Juden, bei der Rechtfertigung seiner Politik eine zentrale Rolle.

Die Reaktion der israelischen Führung auf das IGH-Urteil ließ nicht lange auf sich warten. Noch am selben Tag startete sie eine Kampagne gegen das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge UNRWA, indem sie Vorwürfe lancieren ließ, zwölf seiner Mitarbeiter hätten sich am 7.10. an Gräueltaten der Hamas beteiligt. Als Belege wurden Aussagen gefangener palästinensischen Kämpfer angeführt. Wie jüngste Berichte von Amnesty International nahelegen, könnten passende durch Folter erpresst worden sein.1

Um den Schaden für die Organisation zu begrenzen, entließ UNRWA vorsorglich die neun noch lebenden Mitarbeiter und kündigte an, die Vorwürfe zu untersuchen. Dennoch setzten 15 westliche Staaten sofort ihre Zahlungen an das UN-Hilfswerk aus. Das UNRWA beschäftigt in Gaza 13.000 Mitarbeiter. Selbst wenn die Vorwürfe gegen alle zwölf Beschuldigte zutreffen würden, wäre dies kein glaubhafter Grund für einen solchen Schritt.

Tatsächlich geht es Israel darum, dem IGH-Urteil die Spitze zu nehmen, in dem UNRWA und indirekt auch die UNO als parteiisch und unglaubwürdig dargestellt werden. Führende UNRWA-Mitarbeiter dienten, wie auch die anderer UN-Organisationen, als wichtige Zeugen für die Angriffe auf zivile Ziele und die katastrophale Lage der Bevölkerung.

Das Hilfswerk ist für das Überleben der geschundenen Palästinenser im Gazastreifen zentral. Statt die Anordnung des IGH zu unterstützen, für ihre ausreichende Versorgung zu sorgen, verschärfen die USA, Deutschland, Großbritannien, Kanada, Australien, Italien, die Niederlande, Finnland, Schottland, Japan und Österreich die israelische Blockade.

Dem Juraprofessor Francis Boyle zufolge, der für Bosnien die erste erfolgreiche Völkermordklage vor dem IGH vertrat, beteiligen sie sich damit aktiv am Völkermord. Sie verstoßen damit ebenfalls klar gegen Art II (c) der Völkermordkonvention, die untersagt, einer Bevölkerungsgruppe »vorsätzlich Lebensbedingungen aufzuerlegen, die darauf abzielen, ihre physische Zerstörung im Ganzen oder in Teilen herbeizuführen«. Diese Länder bilden nun, wie es in Kommentaren heißt, eine »Achse des Völkermords«.

Israel strebt seit langem die Auflösung des UNRWA an, da es eines der größten Hindernisse bei der ethnischen Säuberung der besetzten Gebiete und der Auslöschung der Palästinenser als [alteingesessenes] Volk ist. Das Hilfswerk, das in allen Flüchtlingslagern in der Region aktiv ist, ist die Organisation, die sie über ideologische Grenzen hinweg vereint, wo immer sie leben. Mit ihm behalten die von ihrem Land Vertriebenen und ihre Nachfahren ihren Flüchtlingsstatus und damit auch ihr Recht auf Rückkehr.2

Nach weiteren israelischen Geheimdienst- und Regierungspräsentationen heißt es mittlerweile auch in deutschen Medien, das gesamte Hilfswerk sei »von Hamas infiltriert«.

UN-Generalsekretär, UN-Experten und Regierungen des Südens weisen die Vorwürfe als substanzlos zurück. Selbstverständlich unterhielten Mitarbeiter Kontakte zur Hamas. Da diese das Gebiet regiere, wäre anders die Versorgung der Bevölkerung gar nicht möglich.

Die Kampagne fußt, wie die Rechtfertigung des israelischen Vernichtungsfeldzugs, auf der Dämonisierung der Hamas als reine, von der Bevölkerung abgrenzbare Terrortruppe, als »menschliche Tiere«. Der 7. Oktober dient dafür als Bestätigung.

Doch auch wenn Aktionen der Hamas teilweise als terroristisch zu bewerten sind, ist sie grundsätzlich als Befreiungsbewegung anzuerkennen. Gaza gilt völkerrechtlich als »illegal besetztes Gebiet« und die Hamas ist eine bedeutende politische Vertreterin dessen Bevölkerung. Die UN-Generalversammlung hat mit der Resolution 45/130 (1990) den Palästinensern ausdrücklich das Recht auf Widerstand gegen die Besatzung zugestanden, auch mit Waffengewalt, sofern sie sich gegen legitime Ziele richtet.3

Die Hamas hat 2017 ihre Charta grundlegend geändert und erkennt nun die Existenz Israel in den Grenzen von 1948, wie auch die Abkommen der PLO mit Israel an. Für die Menschen im Gaza-Streifen ist sie auch die wichtigste Kraft, die zusammen mit den Hilfsorganisationen seit 2005 ihr Überleben organisiert.

Gemäß einer Umfrage im Westjordanland und im Gazastreifen, die Ende November mit Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung durchgeführt wurde, steht eine große Mehrheit dort hinter der Hamas und auch hinter der Offensive vom 7. Oktober.4

»Die Hamas existiert. Sie kann nicht einfach ausgelöscht werden«, betont der palästinensische Arzt und Politiker Mustafa Barghouti, der als möglicher Nachfolger von Mahmud Abbas als Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde gilt, gegenüber der taz. Sie sei »eine komplexe Bewegung« und »Teil unserer Gesellschaft«.5

Auch die beiden marxistischen Organi­sationen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) arbeiten mit Hamas zusammen und beteiligten sich an der Offensive. Auf Kritik an dieser Zusammenarbeit erklärte Fouad Baker, ein Sprecher der DFLP, gegenüber junge Welt: »Im Zentrum steht ein gemeinsames Ziel, ungeachtet der ideologischen Unterschiede: die Beendigung der Besatzung.«6

Wer also die Gewalt beenden will, muss die Ursache, Besatzung, Unterdrückung, Vertreibung beenden.

1 Israel/OPT: Horrifying cases of torture and degrading treatment of Palestinian detainees amid spike in arbitrary arrests, AI, 8.11.2023.

2 Mit seinem Krieg gegen das UN- Flüchtlingshilfswerk stellt sich der Westen offen auf die Seite des israelischen Völkermords, Jonathan Cook, 30.1.2024.

3 John Neelsen, Gaza, der Westen und das Völkerrecht, 6.1.2024.

4 Palestine: Public Opinion Poll No (90), PCPSR, 13.12.2023.

5 Mustafa Barghouti über den Gazakrieg: »Hamas ist Teil unserer Gesellschaft«, taz, 27.1.2024.

6 »Im Zentrum steht die Beendigung der Besatzung« – Die DFLP kämpft an der Seite der Hamas, jW, 5.1.2024.

Linke Migrationspolitik

Artur Pech

Es ist mehrfach falsch, wenn es heißt: »Aus Sicht der politischen Linken war und ist Migration der Gegenentwurf zum Nationalismus.«1

Migration ist der gesellschaftliche Prozess, mit dem sich die Verteilung der Menschen auf der Erde ändert und Nationalismus eine Ideologie. Es kann sich also nicht um einen Gegenentwurf handeln.

Migration kann freiwillig oder erzwungen erfolgen. Der Umgang mit den Menschen, die davon betroffen sind, kann wiederum sehr wohl von internationalistischen Positionen getragen sein.

Häufig wird auch hier »nur eine Haltung beschrieben und eingefordert. Die Probleme, die die Wirklichkeit hervorbringt, werden eher ignoriert.«2

Linke Migrationspolitik muss grundsätzlichen Entwicklungen Rechnung tragen:

Da ist die Entwicklung der Produktivkräfte, die die gesellschaftliche Arbeitsteilung immer weiter vertieft, Kommunikation und Verkehr weltweit erleichtert. Dieser Prozess ist unumkehrbar, schreitet immer weiter voran, erweitert die Möglichkeiten für die Migration und erzwingt zugleich Migration.

Da ist als eine Folge dieser Entwicklung der menschengemachte Teil der Klimaveränderungen, der Migration erzwingt.

Da sind die unterschiedlichen Werte der Ware Arbeitskraft (nicht erst die Lohnunterschiede) in den verschiedenen Ländern, die immer direkter aufeinandertreffen und die daraus resultierende Frage, wer diese Unterschiede zu seinem Vorteil nutzen kann. Entschieden wird sie letztlich im Klassenkampf.

Da sind die Positionsverluste der bisher die Welt und den Weltmarkt beherrschenden Mächte, deren Migrationspolitik zugleich Mittel der Ausplünderung anderer Länder, Teil der Verteidigung ihrer Vorherrschaft und Waffe in den internationalen Auseinandersetzungen ist.

Da sind die Kriege, die Flucht erzwingen. Das Kriege zwischen kapitalistischen Staaten »in der Regel Folgen ihres Konkurrenzkampfes auf dem Weltmarkte« sind3, fand schon 1907 der Internationale Sozialistenkongress zu Stuttgart heraus.

Da ist existenzielle Not, die Flucht hervorbringt. Da geht es nicht um die Suche nach dem besseren Leben, da geht es um das Überleben, denn in der realen Welt dieser Tage ist jeder zehnte Mensch unterernährt.4

Und da ist die »Lifestyle-Migration« – insbesondere aus den reichen Ländern des Nordens, eine Migration von vergleichsweise wohlhabenden Personen. Deren Nutznießer beeinflussen kraft ihrer materiellen Möglichkeiten auch den Diskurs über die Migration wesentlich.5

Die Humanisierung des Regimes, dem die Migration unterliegt, muss ein wesentliches Anliegen linker Politik sein und bleiben. Darin darf sie sich aber nicht erschöpfen, denn das wäre letztlich die Kapitulation vor den kapitalistischen Verhältnissen.

Aus der ungleichen Entwicklung, aus den Positionsverlusten der Länder des »alten« Kapitals resultiert für linke Migrationspolitik in diesen Ländern ein besonderes Problem, dessen Kern bereits Friedrich Engels beschrieb:

»Solange Englands Industriemonopol dauerte, hat die englische Arbeiterklasse bis zu einem gewissen Grad teilgenommen an den Vorteilen dieses Monopols … Mit dem Zusammenbruch des Monopols wird die englische Arbeiterklasse diese bevorrechtete Stellung verlieren. Sie wird sich allgemein – die bevorrechtete und leitende Minderheit nicht ausgeschlossen – eines Tages auf das gleiche Niveau gebracht sehen, wie die Arbeiter des Auslandes.«6

Mit der Furcht vor einer solchen Entwicklung haben wir es heute auch in Deutschland zu tun.

Auf den ersten Blick scheint die Verteidigung des Monopols der reichen »Länder des Nordens« damit auch im Interesse ihrer – wie es jetzt heißt – »abhängig Beschäftigten« zu sein. Das liefe dann auf eine Beteiligung an der Ausplünderung ärmerer Länder hinaus. Sozialistischer Internationalismus bedeutet dagegen, auch hinsichtlich der Migration »in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats« zur Geltung zu bringen und »stets das Interesse der Gesamtbewegung« zu vertreten.7

Da geht es um die arbeitenden Klassen der Herkunftsländer ebenso, wie um die der Zielländer. Das verträgt sich nicht mit der Förderung der Migration zur Lösung z. B. von Fachkräfteproblemen im eigenen Land auf Kosten der Herkunftsländer oder mit Lohndrückerei durch Erhöhung des Arbeitskräfteangebots in den Zielländern.

In der Geschichte gab es Zeiten, in denen die Entwicklung der Produktivkräfte auf die Entwicklung der Bevölkerung drückte – und andere Zeiten, in denen es umgekehrt war. Mal trieb der Mangel an Produktivkraft die Bevölkerungsbewegungen, mal verlangte die Zunahme an Produktivkräften eine Verringerung der Bevölkerung und beseitigt den Überschuss durch Hungersnot oder durch Auswanderung. Das begann nicht erst mit dem Kapitalismus.

Geändert haben sich die Erscheinungsformen und die Bedingungen, unter denen sie wirken.

Linke müssen sich der Forderung verweigern, die Zahl der Arbeitenden den Bedürfnissen des Kapitals anzupassen. Es muss vielmehr darum gehen, die Wirtschaft den Bedürfnissen der Menschen anzupassen. Denn beispielsweise beim Import von Fachkräften für die Krankenhäuser geht es um die Aufrechterhaltung einer profitorientierten Krankenhausfinanzierung zu Lasten nicht nur der Beschäftigten hierzulande, sondern auch zu Lasten der Gesundheitssysteme der Herkunftsländer.

In der Migration bewegen sich Menschen. Jede dieser Bewegungen folgt einer individuellen Entscheidung.

Einer sich auf Marx stützenden Politik kann es nicht darum gehen, über die möglichen Motive zu fabeln, sondern darum zu untersuchen, welche objektiven Prozesse auf die Menschen wirken, zur Migration treiben oder entgegenwirken, die Möglichkeiten, mit diesen Bedingungen zurecht zu kommen, die Schranken für diese Möglichkeiten und den Charakter dieser Schranken.8

1 Jasper von Altenbockum, Links in der Krise, FAZ 3.11.2023, S. 1.

2 Nils Heisterhagen, Die Zeit der Illusionen ist vorbei, FAZ, 18.6.2018, S. 14.

3 Außerordentlicher Internationaler Sozialisten-Kongress zu Basel am 24. und 25. November 1912, Verlag Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1912, Anhang, S. 48.

4 In der Literatur wird zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Ärmsten selbst die Flucht vor Hunger nicht leisten können und deshalb in der Migrationsstatistik nicht auftauchen. Dennoch ist zur Kenntnis zu nehmen, dass von diesem unwürdigen Zustand ein erheblicher Druck ausgeht.

5 Michaela Benson, Karen O’Reilly, Von Lifestyle-Migration zu Lifestyle in Migration: Kategorien, Konzepte und Denkweisen, in: Migration Studies, Band 4, Ausgabe 1, März 2016, Seiten 20–37, https://academic.oup.com/migration/article/4/1/20/2413178?login=false.

6 Friedrich Engels, Vorwort [zur englischen Ausgabe (1892) der „Lage der arbeitenden Klasse in England«] MEW Bd. 22, S. 276.

7 Karl Marx/Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, S. 474.

8 Die Ähnlichkeit zu der Fragestellung hinsichtlich des Wertes der Ware Arbeitskraft (MEW Bd. 16; S. 105) ist beabsichtigt.

Veränderte Merkmale der Parteien in Westeuropa

Vladimiro Giacché (Italien)1

Die unipolare Weltordnung, die vor 30 Jahren ihren Triumph über den Sozialismus in der UdSSR und in Osteuropa feierte, steht vor einer schwerwiegenden Krise. Damals wurde – wie im alten Rom – der ewige Ruhm eines solchen Triumphes von den Literaten des Hofes besungen. So verkündete 1992 Francis Fukuyama in seinem weltweit gefeierten Propagandabuch nichts weniger als das Ende der Geschichte. Jetzt aber bröckelt diese unipolare Ordnung und die wichtigsten politischen Parteien in den westlichen Ländern scheinen unfähig zu sein, mit dieser neuen Phase umzugehen. Sie sind nicht in der Lage, eine Strategie zu entwickeln. Eine Strategie setzt ein Ziel und die Suche nach einem Weg, dieses Ziel zu erreichen, voraus. Nichts dergleichen ist heute in der westlichen Politik, insbesondere in Europa, zu finden. Die westliche Politik scheint sich durchzuwursteln und die Dinge auf die lange Bank zu schieben. Mit einem Wort, sie kauft Zeit. Aber das ist definitiv keine Strategie an sich. Zeit zu kaufen ist nur dann sinnvoll, wenn man eine Strategie hat. Andernfalls ist die Zeit, die man kauft, vergeudete Zeit.

Was ist der Grund für diesen Mangel an Strategie? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir genau auf die folgenschweren Veränderungen zurückkommen, die sich vor drei Jahrzehnten ereignet haben. Der Fall der Berliner Mauer und die darauffolgenden Ereignisse, d. h. der Zusammenbruch der Sowjetunion und der sozialistischen Länder Osteuropas, die nicht nur das scheinbare Ende der Konfrontation zwischen den sozio-politischen Systemen, sondern auch das tatsächliche Ende der europäischen politischen Parteien, wie wir sie kannten, bedeuteten. In einem Kontext der Konfrontation zwischen alternativen Systemen schlugen die politischen Parteien unterschiedliche Wege zur Organisation der Gesellschaft vor, führten Kämpfe, in denen Ziele und die geeigneten Mittel zur Erreichung dieser Ziele festgelegt wurden. Das ist die Erfahrung, die wir in Italien, meinem Land, mit der Kommunistischen Partei Italiens (PCI), aber auch mit ihrem Hauptgegner, der Christdemokratie (DC), gemacht haben. Auch in Ländern, in denen die kommunistische Partei keine so große Rolle spielte, zum Beispiel in Deutschland, unterschieden sich die Programme der Sozialdemokraten (SPD) und der Christdemokraten (CDU) in vielen wichtigen Fragen deutlich. All das verschwand nach dem Ende der Sowjetunion. Die Politik wurde zur Verwaltung, zum Management und zu nichts weiter als das degradiert. Sie hat also auch aufgehört, eine Wahl zwischen Alternativen zu bieten. Es gibt zwei Sätze, die in diesem Zusammenhang sehr aufschlussreich sind. Der erste stammt von François Mitterrand (französischer Staatspräsident von 1981 bis 1995) und wurde vor mehr als 30 Jahren geäußert: »In der Wirtschaftspolitik gibt es zwei Möglichkeiten. Man ist Leninist. Oder man ändert nichts».2 Die zweite stammt von Mario Draghi, der von 2011 bis 2019 Präsident der Europäischen Zentralbank war; er sagte im Jahr 2013: »Italien geht auf dem Weg der Reformen weiter, unabhängig vom Ergebnis der Parlamentswahlen. Die Reformen laufen wie ein Autopilot«.3 Was ist der von Draghi erwähnte »Autopilot«? Es ist das zwingende Wirken der Marktkräfte. Ganz gleich, wer die Wahlen gewinnt: Der Markt (in diesem Fall der Markt für Staatsschulden) wird ohnehin die gleiche Lösung einfordern.

An dieser Stelle müssen wir an einen anderen wichtigen Prozess erinnern: die »Globalisierung«. Sie war in der westlichen Welt als Hegemonie des Finanzwesens und des Neoliberalismus, als Laissez-faire auf globaler Ebene gedacht. Der Westen verlässt sich für seine eigene wirtschaftliche Entwicklung auf die Investitionsentscheidungen der großen Konzerne, so dass die Gestaltung unserer Zukunft im Wesentlichen der Marktdynamik überlassen wird. Die Folgen sind eine unpopuläre Politik und bei Finanzkrisen, wie wir sie 2008 erlebt haben, eine noch nie dagewesenen Vergesellschaftung der Verluste. Daneben gibt es noch ein grundlegenderes Problem, das ich hervorheben möchte: Dem Markt die Aufgabe zuzuschreiben, die Zukunft einer Gesellschaft zu gestalten, ist nicht nur ein falscher Ansatz, sondern ein logisch inkonsistenter Ansatz und das aus einem einfachen Grund: Der Markt ist kein Subjekt, sondern ein Ort. Ein Ort, an dem Produkte und Dienstleistungen von Marktteilnehmern ausgetauscht werden, um einen Gewinn zu erzielen. Nun setzt der Glaube, dass die Handlungen vieler Subjekte, die ihren eigenen Profit verfolgen, automatisch das beste Ergebnis im Sinne der sozialen Optimalität hervorbringen, einen sehr starken Glauben voraus an eine Art vorher festgelegte (oder in Anlehnung an von Hayek – »post-etablierte«) Harmonie.

Die Folgen einer solchen ideologischen Kapitulation vor den Marktkräften waren weitreichend. Die westlichen Demokratien wurden in vielerlei Hinsicht entstellt: Die verschiedenen Parteien boten keine echte politische Alternative mehr an, ähnelten vielmehr einer Wahl zwischen Pepsi und Cola. Qualität und Glaubwürdigkeit des politischen Angebots sanken und die Unzufriedenheit der Bevölkerung führte zum politischen Populismus. Darüber hinaus braucht man eine Strategie, um die globalen Veränderungen zu bewältigen. Doch dazu scheinen die wichtigsten politischen Parteien in Europa heute nicht in der Lage zu sein. (Anmerkung der Redaktion: Zumindest nicht auf friedlichem Wege.) Die einzige Möglichkeit, das Ruder herumzureißen, besteht darin, in der Europäischen Union wieder eine politische Aktion ins Leben zu rufen, die auf echte, substanzielle Veränderungen abzielt.

1 Leicht bearbeitetes Statement des Autors bei einer internationalen Tagung »Die Werte der politischen Parteien und die menschliche Zivilisation« an der Universität Shandong – Jinan, 2.12.2023.
Übersetzung aus dem Englischen: Lukas Seidensticker.

2 »En économie il y a deux solutions. Ou vous êtes léniniste. Ou vous ne changez rien«. Der Satz ist zitiert in F. Came, »Sa vision de l’économie: entre laisser-faire et révolution, le vide« in Libération, 9. Januar 1996.

3 Zitiert in A. Tarquini, »Draghi: in Italia riforme con il pilota automatico« in la Repubblica, 8. März 2013.

Die Europawahlen vor der Tür

Ulrich Schneider

Für was die Parteien stehen, kann man am deutlichsten an ihren Spitzenkandidaten ablesen, die nach Brüssel geschickt werden sollen.

Die Regierungskoalition macht mit ihrem politischen Personal deutlich, dass Europa für sie eher der verlängerte Arm deutscher Kapitalinteressen sein soll. Die FDP setzt an die Spitze ihrer Kandidatenliste die Bellizistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die für eine dauerhafte militärische Aufrüstung der Ukraine eintritt. Die GRÜNEN benannten Terry Reintke, die zwar seit 2014 MEP ist, die aber in diesem Land selbst politisch Interessierte nicht kennen. Als männliches Pendant fungiert Sergey Ladoginsky aus Brandenburg, der auf seiner Homepage deutlich macht, dass er sich als Sprachrohr von Außenministerin Baerbock versteht.

Die SPD schickt ihre Spitzenkandidatin Katarina Barley ins Rennen und propagiert »ein starkes Europa« mit den drei Schlagworten »Frieden, Freiheit, Wohlstand«, eine Wahlkampflosung, die vor einigen Jahren noch wortgleich von der CDU vertreten wurde. Ganz verschämt findet man im Wahlprogramm noch die Forderung nach »sozialer Gerechtigkeit«. Die SPD übersetzt dies aber mit »gerechte Verteilung der Kosten und Chancen«.

Die CDU schickt wieder ihren langjährigen Frontmann Weber von der CSU ins Rennen. Damit ist klar, dass die Europäische Volkspartei ihren reaktionären Kurs nicht in Frage stellen muss.

Auf der linken Seite werden mit einigermaßen Sicherheit für die Partei Die LINKE Martin Schirdewan, der Co-Parteivorsitzende und langjähriger MEP, und Carola Rackete, eine Aktivistin der Flüchtlingshilfe, in das Parlament einziehen. Das Bündnis Sarah Wagenknecht schickt mit Fabio de Masi einen ausgewiesenen Wirtschaftsexperten in das Rennen, der – so bleibt zu hoffen – insbesondere in Bezug auf die Konzernsubventionen auf europäischer Ebene klare Kante ziehen dürfte. Ob es dem Einzelkämpfer Martin Sonneborn (Die Partei) wieder gelingt, in das Parlament einzuziehen, bleibt abzuwarten. Immerhin hat er in den vergangenen fünf Jahren mit mehr als einem erfrischenden Beitrag eine kritische Perspektive auf die Politik der Europäischen Kommission geworfen.

Die AfD, die bei ihrem Europawahl-Programm noch knapp verhindert hat, dass darin ein Dexit, also der Austritt der BRD aus der Europäischen Union festgeschrieben wurde, wählte als Spitzenkandidat einen offenen Faschisten, den sächsischen Juristen Maximilian Krah, der für seine Verbindungen zu Pegida und anderen offenen Faschisten bekannt ist. Er ist sogar der französischen extremen Rechten von Marine Le Pen zu rechts. Der Rassemblement National (RN) kündigte an, mit der AfD unter Maximilian Krah keine gemeinsame Fraktion im Europaparlament bilden zu wollen. Das ist insofern von Bedeutung, da die extreme Rechte schon jetzt an einer politischen Vernetzung arbeitet, mit der Hoffnung, im kommenden Parlament möglicherweise die drittstärkste Fraktion stellen zu können. Das ist keine »Panikmache«, sondern eine reale Perspektive, wenn man das Auftreten dieser Parteien und ihre Zustimmungswerte (laut Demoskopie) betrachtet. Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich, Frankreich, Niederlande, und selbst in Skandinavien sieht man hohe Zustimmungswerte. Am weitesten sind die Rechten in Italien und folgerichtig trafen sich Ende 2023 dort Repräsentanten faschistischer und extrem rechter Parteien.

Anfang Dezember hatten Matteo Salvini und seine Partei Lega zu einer Konferenz in Florenz unter dem harmlosen Motto: »Arbeit, Sicherheit, Gemeinsinn« geladen. Gekommen waren wichtige Vertreter der europäischen Fraktion »Identität und Demokratie« (ID). Marine LePen schickte eine Videobotschaft, genau wie Geert Wilders, Wahlsieger in den Niederlanden, der wegen Koalitionsverhandlungen nicht kommen konnte. Anwesend waren jedoch Harald Vilimsky für die österreichische FPÖ und Tino Chrupalla, Co-Chef der deutschen AfD, der – wie er sagte – das europäische Haus mit einer »Mauer« versehen will, »damit die Unerwünschten draußen bleiben«, und »den Krieg gegen die Autos« stoppen will. Vertreten waren auch Kostadin Kostadinov, Chef der bulgarischen Partei »Wiedergeburt«, und George Simion von der »Allianz für die Union der Rumänen«, der Europa für ein »Inferno« hält und als Probleme auflistet: »Illegale Migranten, Deindustrialisierung, Zerstörung der nationalen Identität, Absturz des Christentums. Immer weniger Mutter, Vater, Weihnachten.« Anwesend war auch Roman Fritz, Vizepräsident der polnischen »Konfederacja«, die diesmal nicht zum »Königsmacher« werden konnte, aber gleichermaßen einflussreich in der polnischen Innenpolitik ist. Salvini sprach bei der öffentlichen Kundgebung vor 2000 Anhängern vom Kampf gegen die »Eliten«, gegen das Establishment, gegen die »Klimareligion«, gegen »diese Verrückten und Kranken«, die einen europäischen Superstaat wollen und nannte als wichtigste gemeinsame Themen: Arbeit, Familie, Sicherheit und Stolz auf die christlichen Wurzeln.

Kurze Zeit später feierte die faschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit ihrer Partei »Fratelli d’Italia« ihr traditionelles Atréju-Festival, zu dem auch ausländischen Gäste eingeladen waren, der albanische Ministerpräsident Edi Rama, Großbritanniens Premier Rishi Sunak und US-Multimilliardär Elon Musk. Allein diese Namen waren bereits ein Erfolg für Meloni. Zum Abschluss begrüßte Meloni Santiago Abascal, den Vorsitzenden der extrem rechten spanischen Vox-Partei. Abascal sprach von Familie, Wurzeln, Werten und von einem schwierigen Moment für Spanien, wobei Vox und die postfranquistische PP die innenpolitische Situation destabilisieren. Als Gast trat auch Georg Simion, Chef der rumänischen Nationalistenpartei »Allianz für die Vereinigung der Rumänen«, auf, der glaubte, Meloni als »Löwin Europas« loben zu müssen.

In ihrer Abschlussrede machte Meloni den taktischen Unterschied zu Salvini deutlich, als sie betonte, dass auf europäischer Ebene in Bezug auf die Migranten ein Paradigmenwechsel durchgesetzt werden konnte. Jetzt gehe es darum, wie man die Außengrenzen sichere. Dafür bedankte sich Meloni ausdrücklich bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Trotz aller Unterschiede machten beide Treffen deutlich, wie die extreme Rechte auf dem Weg ist, ihre Netzwerke für ein anderes Europa zu stärken und auf ein gemeinsames Handeln einzustimmen.

Auf der anderen Seite ist in verschiedenen Staaten der EU ein Anstieg sozialer Kämpfe zu erleben, in denen die Arbeiterbewegung auf europäischer Ebene gegen multinationale Konzerne handelt, wie beispielsweise gegen Ryanair oder Amazon. In dieser Perspektive organisiert die belgische PVDA-PTB ihren Wahlkampf zum Europäischen Parlament. Sie versucht solche Widerstandskräfte europaweit zu stärken. Für ein Europa der arbeitenden Menschen, nicht des Geldes. Gleichzeitig arbeiten Antifaschisten in Europa an einem Bündnis zivilgesellschaftlicher Kräfte mit Gewerkschaften, Sozialverbänden, migrantischen Organisationen, Frauen- und Jugendverbänden, um den Vormarsch der politischen Rechten zu stoppen.

Bauernstreik – und nun?

Anke Schwarzenberg, MdL

Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Bauernproteste, mal ging es um Milch, mal um Schafhaltung. Aber nie waren sie so präsent wie aktuell: tonnenschwere Traktoren verstopften den Straßenverkehr, versperrten Autobahnzufahrten; Galgen und Pappschilder Marke Eigenbau – auch mit rechtsextremistischer Symbolik – machten dramatisch auf sich und die Lage auf dem Land aufmerksam.

Wer sich mit Agrarpolitik befasst, für den kam der Protest nicht überraschend. Hier war ein Fass über Jahre übergelaufen. Aber so verständlich Kritik an der Agrarpolitik auch dieser Bundesregierung ist, die wir als LINKE oft teilen – der Ruf nach einem Regierungssturz ist angesichts massiver Fehler ihrer Vorgängerinnen in der Bundesregierung nur Ausdruck einer Instrumentalisierung von Rechtsaußen.

Gut, dass sich Bauernverbände auf Bundes-, Landes- und Kreisebene von dieser Vereinnahmung distanziert haben, wenn auch zunächst zögerlich.

Die Bauernschaft ist Teil einer sich polarisierenden Gesellschaft. Es ist ein offenes Geheimnis: Der Berufsstand ist schon lange wütend auf die Agrarpolitik. Berechtigte Kritik aber delegitimiert sich mit einem offenen Schulterschluss mit Rechtsaußen, z. B. der AfD, wie ihn die »Freien Bauern« suchen.

Die Medien befeuern leider die Debatte mit mehr oder weniger wahren Berichten über Einkommen in der Landwirtschaft. Wer kann sich schon einen Traktor für mehrere zehntausend Euro leisten. Oder gar einen ganzen Fuhrpark? Allerdings gibt das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft den durchschnittlichen Brutto-Jahresverdienst eines Landwirtes in Deutschland mit ca. 43.500 Euro an. Das ist definitiv kein Großverdienst.

Fakt ist: Pauschale Urteile funktionieren nie. Um zu verstehen und bewerten zu können, müssen wir uns die Mühe machen, tiefer in die Thematik einzusteigen. Schon die Strukturen der Landwirtschaftsbetriebe unterscheiden sich extrem. In Bayern gibt es eine Vielzahl kleiner (wenn auch wachsender) Familienbetriebe. In Brandenburg gibt es deutlich größere Agrarbetriebe, zum Teil Genossenschaften.

Oder das Stichwort Tierwohl: Während 30 % der bayerischen Milchkühe von einem ganzjährigen Verbot der Anbindehaltung betroffen sind, ist das in Brandenburg lange vorbei.

Die Streichung der Kfz-Steuer und die Streichung der Subventionen für den Agrardiesel haben nur sprichwörtlich das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Wut steckt tief und zielt auf agrarpolitische Fehler im System, das die Bauernschaft einer massiven Marktübermacht von Handels-, Verarbeitungs- und Lebensmittelkonzernen sowie Bodenspekulation ausgeliefert hat.

Das Jahr 1962 ist das eigentliche Geburtsjahr der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der EU. Ziel dieser GAP sollte die Sicherung der Ernährung, Stabilisierung der Märkte und Angleichung der Wettbewerbsregeln in allen Mitgliedsländern, bezahlbare Lebensmittelpreise und eine Einkommenssicherung der in der Landwirtschaft Beschäftigten sein. Damit ist die Agrarpolitik so stark europäisch harmonisiert, wie kein anderer Bereich.

Und sie wurde immer wieder evaluiert und reformiert.

Sie förderte eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Produktionsweisen, Maschinen und Ställen, Pflanzenschutz, Pflanzen- und Tierzucht. Ernährte 1950 ein Landwirt 10 Menschen, sind es 2022 schon 139. Trotzdem führt Deutschland insgesamt mehr Agrar- und Ernährungsgüter ein- als aus. Und die Einkommenssituation in den Betrieben blieb unsicher.

Was also stimmt nicht an dem bestehenden System Landwirtschaft?

Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen zu Recht eine Landwirtschaft, die Boden, Pflanze, Wasser und Tier schont und für nachfolgende Generationen erhält. Auch Tierwohl ist ihnen wichtig. Sie wollen mehr Bio, kurze Wege und frische Produkte; Obst und Gemüse zu jeder Saison; Fleisch und Wurst – eben alles, was der Leib begehrt, aber bitte zu einem bezahlbaren Preis.

Die entsprechenden Beschlüsse auf EU-Ebene werden durch Bund und Länder, teilweise angepasst, umgesetzt. Für die Förderperiode 2023 bis 2027 musste ein Nationaler Strategieplan erarbeitet werden. Unter anderem soll mit Hilfe eines Indikatoren-Systems kontinuierlich die Erreichung der europäischen Zielvorgaben nachgewiesen werden. Was grundsätzlich nachvollziehbar ist, bedeutet in der konkreten Umsetzung für die Agrarbetriebe statt wie versprochen weniger, zusätzliche Bürokratie. Also noch mehr Schreibtisch statt Stall oder Acker und zusätzliche Personalkosten.

2023 hat der Bund außerdem die Gelder für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) um etwa ein Viertel gekürzt. Das wird sich gerade in den ostdeutschen Bundesländern besonders drastisch auswirken. Kürzungen wird es in den Programmen im Bereich Tierwohl und dem Rahmenprogramm zur Förderung der biologischen Vielfalt, auch beim Vertragsnaturschutz und bei der Kulturlandschaftspflege geben. Brandenburgs Landwirtschaftsminister Vogel stellte klar, dass wegfallende Bundesmittel nicht durch zusätzliche Landesmittel ausgeglichen werden. Es geht also um viel mehr als weniger Agrardieselförderung.

Und da liegt noch etwas im Argen: mit landwirtschaftlichem Boden wird seit der Finanzkrise 2007 verstärkt spekuliert. Bodenpreise sind mit landwirtschaftlicher Arbeit kaum mehr bezahlbar.

Regionale Wertschöpfungsketten, in denen Erzeuger-, Verarbeitungs- und Vermarktungsbetriebe fair verhandeln? Fehlanzeige. Und ein Hofladen kann nur ein Teil der Lösung sein.

Investitionshilfen für Stallneubau, An- oder Umbau für mehr Tierwohl gibt es zwar, aber schnell auch Bürgerinitiativen dagegen.

Am Ende entscheidet die Marktübermacht von Lebensmittelketten oder Schlacht- und Molkereikonzernen über das Einkommen der Landwirte. Selbst die auf EU-Ebene ermöglichten Verbote gegen unlautere Handelspraktiken hat Deutschland 2021 nur minimal umgesetzt. Von einem angemessenen Kartellrecht mal ganz abgesehen.

Und die seit dem Ukrainekrieg – oft spekulativ – gestiegenen Preise für Energie, Sprit, Düngemittel oder Saatgut schmälern die Betriebsbilanz zusätzlich.

Dass sich Landwirtschaft verändern und anpassen muss, weiß der Berufsstand. Und er hat sich auch bewegt, ob im Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung (»Borchert-Kommission«) oder in der Zukunftskommission Landwirtschaft. Beide Berichte sind mit großer Mehrheit 2021 beschlossen worden. Deshalb ist es scheinheilig, wenn die Bundesregierung verkündet: »Wir müssen jetzt reden und Vorschläge erarbeiten.«

Es gibt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit. Genau das macht den Berufsstand wütend. Die Streichung der KFZ-Steuerbefreiung und die Streckung der Streichungen der Agrardieselsubventionen bis 2026 sind nur erste Schritte zur Lösung der Agrarkrise. Ich denke, der Protest war gerechtfertigt und hat hoffentlich wachgerüttelt.

Unabhängig davon, was der Bundesrat zu dieser Thematik beschließt: »Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert!«

»Regierungsantifa« oder Zivilgesellschaft gegen Rechts?

Maria Krüger

Ausgelöst durch die Presseveröffentlichung über ein Treffen von Funktionären der »Alternative für Deutschland« (AfD), dem Frontmann der »Identitären Bewegung« in Österreich und anderen Vertretern rechtskonservativer Gruppen in einer Villa in Potsdam, auf dem über die Ausweisung von Millionen Menschen aus Deutschland fantasiert wurde, fanden Anfang dieses Jahres in der ganzen Bundesrepublik Massendemonstrationen und Großkundgebungen gegen die extreme Rechte und politische Rechtsentwicklung statt, die nach ernsthaften Schätzungen über drei Millionen Menschen auf die Straße brachten. In den Metropolen Berlin, Hamburg, München und im Rheinland gab es Kundgebungen mit sechsstelliger Beteiligung, in Großstädten wurden höhere fünfstellige Teilnehmendenzahlen registriert. Und es war keine Seltenheit, dass selbst in Klein- und Mittelstädten vierstellige Zahlen, oftmals die größten Demonstrationen in der Geschichte des Ortes, zu verzeichnen waren. Bemerkenswert war, dass diese Aktionen quer durch die ganze Republik stattfanden, von der sächsischen Schweiz bis Sylt, von Freiburg bis Greifswald, von Aachen bis Cottbus. Tatsächlich waren auch in den östlichen Bundesländern, in denen die AfD laut Demoskopen bei zum Teil 30 % Zustimmung steht, viele Tausende unterwegs, um Gesicht zu zeigen gegen rechts und auf der Straße zu erleben, dass sie damit nicht alleine stehen. Das ist eine historisch einmalige politische Massenbewegung, die es in den vergangenen Jahrzehnten so noch nicht gegeben hat. Hier haben Millionen Bundesbürger:innen signalisiert »Nie wieder ist Jetzt!« und »Schweigen ist keine Option«. Sie werden zukünftig den Regierenden (hoffentlich) genauer auf die Finger und nicht nur »auf’s Maul« schauen, genauer hinschauen, ob ihr Protest etwas bewegt hat, ob sich Regierungspolitik dadurch verändert. Und sie werden dabei Lernprozesse machen, Lernprozesse, die von organisierten Antifaschist:innen mitgestaltet werden können und müssen.

Schon mehrfach waren in der BRD viele tausend Menschen auf den Straßen gegen Rechts, z. B. als im Jahre 2000 nach einem Brandanschlag auf eine Synagoge in NRW der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zum »Aufstand der Anständigen« rief. Doch diesmal folgen die Teilnehmenden keinem Regierungsappell, auch wenn auf manchen Kundgebungen Vertreter von Bundes- und Landesregierungen das Bad in der Menge suchten. Es war und ist eine heterogene zivilgesellschaftliche Bewegung, die die Menschen auf die Straße brachte. Traditionelle Organisationen, wie Gewerkschaften oder Parteien, die in der Vergangenheit zu solchen Massenaktionen mobilisierten, wurden in der Anfangszeit von der Bewegung überrollt. Neue Akteure, oft Unorganisierte, die besorgt über den Aufstieg der AfD und mit anderen Zeichen der Rechtsentwicklung unzufrieden waren, meldeten die Aktionen an, Medien berichteten über geplante Aktionen und viele Menschen waren erstmals auf der Straße. Sichtbares Zeichen dieser veränderten Mobilisierung waren die zahlreichen selbst gebastelten Schilder mit phantasievollen Losungen gegen die AfD, gegen Rassismus und Nazis, die das Bild der Aktionen insbesondere in kleineren Städten prägten. Dort sah man nur wenige Transparente und Fahnen von Parteien und anderen Organisationen. In Metropolen, wo es eine entwickelte politische Szene gibt, wurden die bekannten Antifa-Transparente gezeigt. Die mediale Berichterstattung über die Kundgebungen in den verschiedenen Orten verdeutlichte, dass es der herrschenden Politik nicht gelang, diesen Protesten ihren Stempel aufzudrücken, selbst wenn Bürgermeister oder in der Landespolitik wichtige Vertreter als Rednerin oder Redner eingeladen wurden. Vielfach war es so, dass die Organisatoren der Kundgebungen bewusst darauf verzichteten, Parteien oder prominente Politiker als Rednerin oder Redner zuzulassen. Insbesondere in den kleineren Städten waren Vertreter der Zivilgesellschaft, der Vereine, Pfarrer und andere Kirchenvertreter, der Bündnisse »Bunt statt braun« oder anderer Strukturen auf der Bühne. Tatsächlich wurde auf diesen Kundgebungen in vielen Redebeiträgen auch die Rolle der gegenwärtigen Bundesregierung kritisiert, die mit ihrer Politik eine Mitverantwortung für den Aufstieg der extremen Rechten trägt. Denn nicht nur AfD und ihre neonazistischen Gefolgsleute sprechen von »Remigration«, also Vertreibung und Rückführung, sondern eine ganz große Koalition von Regierung und Opposition im Bundestag sorgt für die Verschlechterung der Aufnahmebedingungen für Migranten und schafft auf europäischer Ebene Gesetze, diese schnell wieder abschieben zu können. Natürlich hörte man abstrakte Appelle an Mitmenschlichkeit, gegen Hass-Botschaften und die gerne zitierte Losung »Nie wieder ist jetzt«, ohne zu erklären, dass zum »Nie wieder!« das Handeln gegen Faschismus und auch Krieg gehört. Gleichzeitig ließen es sich viele Gruppen nicht nehmen, die populistische Propaganda z. B. eines CDU-Chefs Friedrich Merz, der behauptete, Arztpraxen seien überfüllt, weil Geflüchtete sich dort mit Zahnersatz versorgen, zu kritisieren. Und wenn die herrschende Politik behaupte, man müsse die »Flut der Migranten« stoppen, man lehne die »Verunstaltung« der Sprache durch das Gendern ab und wolle Arbeitslosen auch noch das bisschen Bürgergeld kürzen, dann sei das nichts anderes als die Umsetzung der Ziele der AfD.

Während viele Medien sympathisierend von den Aktionen berichteten, war es vor allem die Springer-Presse, die versuchte, solches antifaschistisches Handeln aus der Mitte der Gesellschaft zu delegitimieren. Nicht nur von bayerischen Politikern war zu hören, dass der zivilgesellschaftliche Protest von »Linksextremisten«, »Klima-Chaoten« und »Israel-Hassern« unterwandert sei.

Bei aller Bürgerlichkeit, Widersprüchlichkeit und Breite der Proteste, hier zeigte sich eine Massenbewegung gegen den Vormarsch der AfD, die ein großes Potenzial für kritische Reflexionen beinhaltet. Daher ist es primär eine Herausforderung für die organisierten Kräfte in der politischen Linken, hier aktiv inhaltlich und aufklärend einzugreifen. Und die politische Gretchenfrage gegen die AfD ist dabei nicht: »Bist Du für oder gegen ein AfD-Verbot?«. Schon die öffentliche Debatte darüber schränkt den Handlungsspielraum der extremen Rechten ein und blockiert jene politischen Kräfte in der CDU, bei den »Freien Wählern« und anderen Parteien, die sich eine direkte oder indirekte Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen können. Dass die oft beschworene »Brandmauer« in vielen Teilen der Republik längst umgefallen ist, ist keine neue Erkenntnis, aber die Hemmschwelle der offenen Kooperation wird durch die AfD-Verbotsdebatte deutlich erhöht. Wenn die gesellschaftliche Massenbewegung im Januar und Februar 2024 allein das bewirkt hat, war sie erfolgreicher, als alle vollmundigen Erklärungen bürgerlicher Politiker in abendlichen Talkshows.

Helfen statt reden

Franz Stephan Parteder

Die politische Strategie der steirischen KPÖ lässt sich wie folgt zusammenfassen: Sie versucht, eine Bewegung für das tägliche Leben und für die großen Ziele der Arbeiter:innenbewegung zu sein, sie verbindet ihre Politik mit glaubwürdigen Personen und sie drückt das auch dadurch aus, dass ihre Mandatarinnen und Mandatare einen großen Teil ihres Politbezuges für konkrete soziale Zwecke verwenden.

Der letzte Punkt hat großes Aufsehen und einigen Zuspruch in der Öffentlichkeit hervorgerufen. Es gibt aber auch Widerspruch. Vor allem konkurrierende Parteien wie ÖVP, SPÖ oder Grüne sprechen von Caritaspolitik oder von Stimmenkauf. Ultralinke Kräfte greifen diese herabwürdigende Kritik auf und sehen in dieser Haltung ein Zeichen für das Abgleiten der steirischen KPÖ in den Sumpf des Reformismus.

Deshalb sind einige Klarstellungen notwendig. Die steirische KPÖ steht damit nämlich nicht außerhalb der Tradition der marxistischen Arbeiterbewegung. Niemand anderer als Victor Adler, der Begründer der österreichischen Sozialdemokratie, wies in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nämlich nicht nur auf das elende Schicksal der Ziegelarbeiter am Wienerberg hin, er behandelte diese Menschen als Arzt auch gratis und er verwendete einen Teil seiner Erbschaft für soziale Zwecke, den anderen für die Gründung der Arbeiterzeitung.

Und die Bolschewiki führten nach der Oktoberrevolution das sogenannte Parteimaximum ein. Kein Parteifunktionär sollte mehr verdienen als ein qualifizierter Facharbeiter. Leider ist man in der Sowjetunion unter dem Zeichen des »Kampfes gegen die Gleichmacherei« vor allem unter Stalin, aber auch danach von diesem Prinzip abgegangen. Einige kommunistische und fortschrittliche Parteien, so auch die KPÖ, haben bis heute in ihrem Statut verankert, dass Einkünfte aus politischen Funktionen abzuliefern sind.

Dabei ist vor allem gemeint, dass die politische Arbeit der Partei auf diese Weise materiell zu unterstützen ist. In Österreich ist es aber so, dass hohe Stimmenanteile in einer Stadt wie Graz oder der Einzug in den Landtag eine sehr hohe öffentliche Parteienförderung mit sich bringen. Deshalb hat Ernest Kaltenegger nach seinem Einzug in die Grazer Stadtregierung diese Regel modifiziert: Gemeinderäte liefern ihre Bezüge an die Partei, die Stadträte und die Klubobfrau im Landtag verwenden von ihrem Nettogehalt alles, was über eine Höchstgrenze hinausgeht, für soziale Zwecke, sie spenden nicht an anonyme Institutionen, sondern helfen Menschen aus Fleisch und Blut, die ganz dringend Unterstützung brauchen. Und einmal im Jahr legen sie bei einem Tag der offenen Konten Rechenschaft darüber ab, was mit diesem Geld getan worden ist.

Ist das Stimmenkauf? Sicherlich nicht. Sehr viele unter den Menschen, denen auf diese Weise geholfen worden ist, sind so weit von der Politik entfernt, dass sie nicht mehr zur Wahl gehen. Diese Haltung hat aber das Ansehen der KPÖ in der Öffentlichkeit gesteigert und viele Menschen, die selbst in einer gesicherten Position sind, dazu gebracht, die KPÖ bei Wahlen, aber auch bei Aktionen zu unterstützen.

Die Mandatar:innen der steirischen KPÖ entfernen sich wegen dieser Regelung auch im täglichen Leben nicht von der Mehrheit der Bevölkerung. Abgehobene Gehälter führen zu einer abgehobenen Politik. Das ist bei uns nicht der Fall.

Und noch etwas ist wichtig: Man darf Menschen, die in einer aktuellen Notsituation sind, nicht auf eine bessere Gesellschaftsordnung vertrösten. Hilfe muss schnell erfolgen und unbürokratisch sein. Damit wird man – auch als Kommunist, der eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung will – glaubwürdiger. Und es geht in einem gesellschaftlichen Umfeld, das alles daransetzt, um die Menschen vom Denken in Zusammenhängen und in Alternativen abzuhalten, auch um nicht weniger als um politische Alphabetisierung. Wenn Elke Kahr oder Robert Krotzer so handeln wie sie handeln, dann kann es auch sinnvoll sein, sich mit dem zu beschäftigen, was sie politisch zu sagen haben.

Die vielen Kontakte mit den Leuten und mit ihren Problemen sind auch aus einem anderen Grund wichtig. Die KPÖ war bis in die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts über ihre Grundorganisationen in Betrieben und Wohnviertel eng mit der Bevölkerung verbunden und hat so erfahren, welche Probleme und Forderungen für sie im Vordergrund standen. Diese Organisationen sind zusammengebrochen. Das bedeutet oft, dass die Schwerpunktsetzung in der Politik auf das Geratewohl hinaus, ohne Rückkopplung mit der Bevölkerung funktioniert.

Zuerst über den Mieternotruf in Graz, und dann über die unzähligen Kontakte mit Menschen in persönlichen Notlagen ist es wieder möglich geworden, empirisch zu ermitteln, welche Themen in den Vordergrund zu stellen sind. Zu nennen sind das Eintreten für einen Kautionsfonds und der Kampf gegen das Geschäft mit der Spielsucht, die auf diese Weise zu Schwerpunkten gemacht und in der Öffentlichkeit mit der KPÖ verbunden worden sind.

Nun kann man sagen, dass dies alles positiv ist, aber mit den Zielen einer kommunistischen Partei nur sehr bedingt etwas zu tun hat. Auch darauf gibt es eine Antwort.

Warum ist die steirische (darunter vor allem die Grazer) KPÖ in den letzten Jahrzehnten dem Schicksal des Mitgliederschwundes, der Überalterung und der gesellschaftlichen Marginalisierung entgangen? Genau wegen dieser Haltung, die sich mit dem Schlagwort »Helfen statt reden« zusammenfassen lässt.

Das zeigen auch die Mitgliederzahlen. Darüber hinaus gibt es ein Netz von SympathisantInnen, ohne die Wahlerfolge wie in Graz oder das Sammeln von mehr als 10.000 Unterschriften beispielsweise gegen das steirische Olympia-Abenteuer nicht möglich gewesen wären.

Und was noch wichtiger ist: Schritt für Schritt ist es gelungen, dass die KPÖ in der Steiermark wieder alle Funktionen einer kommunistischen Partei, die Interessenvertretung, den politischen Kampf und die ideologische Auseinandersetzung beherrscht.

Man könnte sehr viele Beispiele dafür anführen. Eine Partei, die in Graz die Bürgermeisterin stellt, in der AK mit 5 Mandaten vertreten ist, die bei Magna-Steyr zweitstärkste Kraft im Betriebsrat ist, die erfolgreiche Kampagnen für politische Themen geführt hat, die über den KPÖ-Bildungsverein marxistisches Grundwissen vermittelt und interessante Diskussionen zur Geschichte der Arbeiterbewegung und zu aktuellen Themen anbietet und die – nicht zuletzt – mit Festen im Volkshaus sehr viele Menschen zusammenbringt, lässt sich nicht auf eine Caritaspolitik reduzieren. Ohne diese Haltung aber, die Ernest Kaltenegger 1998 durchgesetzt und vorbildhaft gelebt hat, wäre die steirische KPÖ nicht dort, wo sie heute ist.

In Memoriam Harald Werner

Werner Zimmer-Winkelmann

Als ich als junger Trainer und Teamentwickler Anfang der 90er Jahre eines meiner ersten Projekte beim Hauptvorstand der Gewerkschaft HBV durchführte, fiel mir eine Schrift mit dem Titel »Methodisch-didaktisches Orientierungswissen für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit«, eine »Arbeitshilfe für TeamerInnen« in die Hände.

Ich schaute zunächst nur oberflächlich, später aber sorgfältiger rein, was zur Folge hatte, dass mir einige Lichter über menschliche Lernprozesse und meine eigene Seminartätigkeit aufgingen. Dass der Verfasser, ein Dr. Harald Werner sich in seinen Ausführungen auch auf Marx und Brecht bezog, lag mir sehr. Unvermeidbar eröffnete dieses »Orientierungswissen« mir neue Sichtweisen auf menschliche Lernprozesse und führte dazu, dass ich meine Seminare umarbeiten musste.

Bei der Verfassung dieses Nachrufs fallen mir alte Exzerpte in die Hand, die mich daran erinnern, wie sehr auch spätere Publikationen von Harald Werner meine Entwicklung zum Trainer begleitet haben. Bereichernd war für mich die Synthese aus theoretischer Fundierung und ausgeübter Praxis der Bildungsarbeit. In der Tradition der Kritischen Psychologie stehend dachte Werner Bildungsarbeit (und damit die Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten von Menschen) konsequent vom Standpunkt des Subjektes und seinem wirklichen Lebensprozess unter konkreten Bedingungen. Er lief nicht Gefahr, in den für viele Trainer üblichen Plattheiten »Teilnehmerorientierung« oder »Erwartungen« steckenzubleiben.

Werner betrachtet auch das Seminar selbst unter dem Aspekt jener konkreten Lebensbedingungen, unter denen sich psychische Tätigkeit vollzieht, hier speziell der lernenden TeilnehmerInnen. Sobald diese den Seminarraum betreten, anderen TeilnehmerInnen begegnen und die Seminarleitung sich vorstellt, sind Bedingungen geschaffen, die nunmehr Lernprozess, Lerninhalte und Lernerfolg beeinflussen. Er thematisierte, dass die Person der Lehrenden und damit deren Glaubwürdigkeit und Au­then­ti­zi­tät nicht unerheblich für gelingende Lernprozesse und das Erreichen gemeinsam vereinbarter Lernziele sei. Lernende wie Lehrende seien einem Weg der Selbstveränderung unterworfen, der leider nicht bequem ist.

Dass Lernziele in der Bildungsarbeit sich für Werner nicht nur auf abstraktes Wissen und die Erweiterung der Handlungsfähigkeit beziehen, sondern auch »Ungehorsam« einüben sollen, hängt wohl auch mit seinen eigenen biographischen Erfahrungen zusammen. Er entwickelte sich vom gelernten Stahlbauschlosser in den 50er Jahren zum promovierten Soziologen, erlitt Berufsverbot in den 80er Jahren und spielte nach vielen Konflikten in der DKP eine wichtige Rolle zunächst in der PDS und danach in der Linkspartei. Die Entwicklung der Linkspartei ist ihm vermutlich nah gegangen.

Dass er sich angesichts der vielen Beulen nicht resigniert ins Privatleben zurückgezogen hat, mag auch daran gelegen haben, dass er bei der Verarbeitung seiner biographischen Erfahrungen auf Kenntnisse der Kritischen Psychologie über die menschliche Natur zurückgreifen konnte. Von der Ergiebigkeit des Marxismus für die Emanzipation des Menschen überzeugt, trieb ihn dessen Weiterentwicklung an, die er für dringend erforderlich hielt.

Menschen, die der Überzeugung sind, dass politische Arbeit und politische Bildungsarbeit vor allem mit konkreten Menschen zu tun hat, wie diese wirklich sind und nicht, wie wir sie gerne hätten, finden in seiner Publikationstätigkeit in Büchern, Artikeln und auch auf seiner Homepage immer wieder neue Gedankenanstöße über die politische Bildungsarbeit hinaus.

Am 23. Dezember ist Harald Werner im Alter von 83 Jahren gestorben.

Diskussionsbeitrag zu: Von der ›Zeitenwende‹ zum Epochenbruch

Marxistische Blätter
Beilage 5/6 2023

Markus Bernd, Eschborn

Im Rahmen eines wichtigen Beitrages1 zur Diskussion um den Epochenbruch widmet sich Christa Luft dem US-Dollar, stellt eine Entdollarisierung als Aspekt dieses Bruches fest.2 Ihre Folgerung, die Finanzwirtschaft gewinne »geostrategisch weiter an Bedeutung«3 und verlange daher nach einer intensiveren Betrachtung, soll im Folgenden aufgegriffen, ihr Ansatz jedoch hinterfragt werden. Die Einschätzung der Situation des Dollars, auf der ihre, wenn auch vorsichtige, Schlussfolgerung beruht, ist zum einen lückenhaft, weil sie nur einen Teil des Dollarsystems erfasst. Zum anderen ist die anekdotische Beweisführung nicht geeignet, diese These zu stützen. Der Aspekt einer notwendigen Alternative fehlt völlig.

Kritik an Luft

Zunächst wird konstatiert: »Finanzen und Währungen sowie lebenswichtige Güter werden die neuen Waffen gegen den ›Feind‹«4, wobei Luft später Finanzsanktionen als eine der »neuen ›Waffen‹«5 konkretisiert. Ohne tiefer auf den marxistischen Begriff des Geldes einzugehen6, ergibt es Sinn, sich zu vergegenwärtigen, dass Geld kein klassenneutrales Hilfsmittel zum Tausch von Waren ist, sondern grundsätzlich Machttechnologie.7 Die Dominanz des US-Dollars setzt notwendigerweise imperialistische Gewalt bzw. die Möglichkeit dazu auf globaler Ebene voraus, ist Mittel und Zweck zugleich.

Das internationale Finanzsystem ist an sich bereits ein integraler Bestandteil imperialistischer Machtentfaltung und globaler Ausbeutung.8 Finanzsanktionen stellen keine neue Entwicklung dar, ihre Bedeutung nahm in den letzten 20 Jahren allerdings zu; in erster Linie aufgrund einer immer aggressiveren Anwendung im Rahmen der US-Außenpolitik.9 Vorstellungen von einem klassenneutralen globalen Kapitalismus, der nun plötzlich gegen die beteiligten Staaten gewendet wird, sind freilich illusionär.

Wenn darauf abgehoben wird, dass sich die USA »nicht mehr in dem Maße verschulden [können] wie bisher, indem die Federal Reserve nach Belieben Papiergeld aus dem Nichts schafft, also die Druckpresse anwirft«, offenbart sich ein falsches Verständnis der Rolle des Kredits und der Zusammenhänge innerhalb der Weltwirtschaft. Geld entsteht schließlich durch Kreditvergabe. Aufgrund der zentralen Rolle des Dollars ist es nicht allein die Federal Reserve Bank, die US-Dollar schöpft: Banken außerhalb der USA sind mittlerweile für 60 Prozent der in US-Dollar denominierten grenzüberschreitenden Kreditvergaben verantwortlich.10 Mit jedem Kredit schöpfen sie US-Dollar.

Aus dem Blick gerät die Rolle der Verschuldung als Voraussetzung kapitalistischen Wirtschaftens: So lange Kredite zum Zwecke der Profitmacherei eingesetzt werden, sind sie kein Beleg für einen »wachsenden Schuldenberg«, der zur Gefahr für die USA und ihren Dollar-Imperialismus würde. Sie sind Ausdruck der Leistungsfähigkeit der US-Wirtschaft und somit des US-Dollars. Deren Schulden sind Kapital, dessen weltweite Profite überproportional in die USA fließen und ihre wirtschaftliche Dominanz absichern.

Ein zentraler Unterschied zwischen kapitalistischen Ökonomien erklärt die Macht des Dollarimperialismus: »Während die USA durch Verschuldung neues Weltgeld (US-Dollar) schöpfen, mit dem die Monopole erfolgreich wirtschaften, bedeutet Verschuldung beispielsweise von Argentinien, dass sie sich dieses Weltgeld erst besorgen müssen, um ihre Schulden zu bedienen oder Handel zu treiben.«11 Die Dominanz des US-Dollars hängt damit unmittelbar zusammen. So lange man den Kern des Nutzens des Kredits für die kapitalistische Wirtschaft ver- und in den Schulden der USA eine Überschuldung erkennt, bleibt ein tieferes Verständnis der globalen Wirtschaft verschlossen.

Was ist die Dominanz des Dollars, was eine Entdollarisierung?

Um sich den vorliegenden Fragen anzunähern, wäre zunächst die Rolle des US-Dollars zu bestimmen. Darauf aufbauend kann untersucht werden, in wie weit sich eine Entdollarisierung als Aspekt des Epochenwandels erkennen lässt. Dabei macht Luft zwei Fehler: Zum einen stützt sie ihre Einschätzung auf nur zwei Teilbereiche der Dollar-Dominanz bzw. des internationalen Finanzsystems. Zum anderen reichen ihre überwiegend auf Sekundärliteratur basierenden Belege nicht aus, um weitreichende Schlussfolgerungen zu begründen.

Für Luft erschöpft sich die Dominanz des Dollars in seiner Funktion als Handels- und Reservewährung. Beispiele hierfür sind die Angaben, dass »der Yuan spätestens 2030 die drittwichtigste Währung im internationalen Handel und bei Finanzanlagen sein wird – nach dem US-Dollar und dem Euro«12, dass die BRICS-Staaten »im Ölhandel den US-Dollar umgehen und in Rubel, Yuan oder Rupien bezahlen (wollen)«13, dass Brasilien und China bereits »im bilateralen Handel auf den Greenback (verzichten)«14 oder der Verweis darauf, dass »der (Dollar-)Anteil an den internationalen Währungsreserven sinkt«.15

Die Dominanz des US-Dollars ergibt sich aber nicht allein aus seiner vorherrschenden Rolle als Reserve- oder Handelswährung. Er ist zudem die führende Finanzierungswährung und die Verkehrswährung für Devisentransaktionen.16 In all diesen Bereichen nimmt der Dollar nach aktuellen Zahlen eine dominierende Stellung ein.17 Betrachtet man nur die Rolle als Reserve- und Fakturierungswährung und vernachlässigt andere markante Punkte, so wird die Bewertung fehleranfällig. Dennoch lohnt es sich, Lufts empirische Befunde zu diesen beiden Funktionen genauer zu betrachten.

Rechnungs- bzw. Handelswährung: US-Dollar und keine Alternative

Christa Luft verweist auf einen Rückgang des US-Dollars als Fakturierungswährung, obwohl der US-Dollar sowohl nach Handels- als auch nach SWIFT-Daten die dominierende Fakturierungswährung im Welthandel bleibt.18 Eine Schätzung des Anteils des US-Dollars im internationalen Handel für den Zeitraum von 1999 bis 2019 beläuft sich auf 96 % der Handelsrechnungen in Nord- und Südamerika, 74 % im asiatisch-pazifischen Raum und 79 % in der übrigen Welt. Einzige Ausnahme ist Europa, wo der Euro mit 66 % dominiert.19 Dies liegt neben der weiten Verbreitung und Verfügbarkeit des US-Dollars und den daraus resultierenden Netzwerkeffekten auch an den für die internationale Handelsfinanzierung notwendigen Derivaten und schließlich an der Absicherung von Finanz- und Handelsgeschäften im Rahmen des Common Law, das in Großbritannien und den USA einklagbar ist.20

Anekdotisch referierte Belege für eine Abkehr vom US-Dollar erwecken den Eindruck eines fortschreitenden Niedergangs. Sie ignorieren die Aspekte, die die Dominanz des US-Dollars überhaupt begründen. Realwirtschaftliche Probleme, die sich aus der Verwendung alternativer Währungen ergeben, zeigen sich im wachsenden russisch-chinesischen Handel: Während chinesische Banken die Auswirkungen des Sanktionsregimes bei der Abwicklung von Geschäften mit russischen Unternehmen fürchten,21 erweist sich die Abwicklung für russische Händler als problematisch, wie die Zentralbank der Russischen Föderation berichtet. Für russische Importe und Exporte stelle die Volatilität des nicht konvertierbaren Yuan ein hohes Risiko dar, für das es nicht genügend Derivate zur Absicherung gebe. Außerdem verhindere China den freien Umlauf von Yuan-Banknoten im Ausland.22 Ein ähnliches Bild zeigte sich zwischen Indien und Russland: Nachdem Verhandlungen zur Abwicklung des Ölhandels in Rupien im März 2023 teilweise euphorisch begannen, wurden sie bereits im Mai 2023 abgebrochen. Russland tat sich schwer damit, Rupien als Zahlungsmittel zu akzeptieren.23

Der gescheiterte Versuch, den argentinisch-chinesischen Handel 2023 in Yuan abzuwickeln, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Beleg für die Zentralität des US-Dollars: Bestrebungen, den Yuan als Fakturierungswährung zu nutzen, waren der Versuch, die eigenen Dollarreserven zu schonen, die Argentinien für den Schuldendienst benötigt.24 Der im Text angesprochene Ölhandel ist aufgrund der großen Bedeutung des »Petrodollars« interessant. Die SWAP-Linie in Höhe von 7 Mrd. US-Dollar zwischen China und Saudi-Arabien könnte in Zukunft den Öleinkauf über den Yuan erleichtern. China importierte 2022 saudisches Öl im Wert von 55 Mrd. US-Dollar. In erster Linie scheint dies ein Schritt zu sein, um Chinas Zugang zu Energie strategisch abzusichern. Es bleibt jedoch fraglich, ob Saudi-Arabien in Zukunft lieber Yuan als US-Dollar verdienen möchte. Würden die Yuan genutzt, um wiederum in China einzukaufen, hätte dies kaum globale Auswirkungen. Anders sähe es aus, wenn Saudi-Arabien dazu überginge, Yuan statt US-Dollar als Reservewährung anzulegen.25 Bisher ist dies nicht der Fall.

Während einige Länder zum Verzicht auf den US-Dollar im Handel gezwungen sind und auf andere Währungen ausweichen müssen, sind die vorherrschenden Probleme größer als die vermeintlichen strategischen Vorteile, die andere Staaten daraus ziehen. Die Umsetzungsprobleme zeigen die Schwächen solcher Versuche. Es ist zweifelhaft, ob sich mittel- oder langfristig eine Alternative zur Dominanz des US-Dollars herausbilden wird.

Reservewährung:
Was wollen Zentralbanker?

Ein Rückgang der Währungsreserven in US-Dollar ist beobachtbar26, nach wie vor bleiben allerdings über 60 % der weltweiten Währungsreserven in US-Dollar denominiert. Ein weiterer Rückgang hin zu mehr diversifizierten Portfolios mit einer höheren Gewichtung von Euro, Pfund oder Yen wird als möglich angesehen.27 Trotzdem ist der US-Dollar gegenüber den maßgeblichen Risiken anderer Reservewährungen abgeschirmt: Das Kreditrisiko ist durch die FED praktisch eliminiert, die Märkte für US-Dollar-Anleihen sind die weltweit liquidesten und tiefsten. Gepaart mit der relativen Stabilität des US-Dollars und nicht zuletzt aufgrund der von Dollar-Anleihen gebotenen Renditen bildet dies den Hintergrund der weiterhin bestehenden Vorherrschaft des US-Dollars.

Ein Land, das in dieser Frage, gerade wegen der riesigen offiziellen wie inoffiziellen Devisenreserven, unter Beobachtung steht, ist China. Der Verkauf von 21,2 Milliarden Anleihen 2023 wurde von deutschen Medien teilweise reißerisch zu einem »Abstoßen« hochstilisiert.28 Ein Argument für eine Entdollarisierung? Vor dem Hintergrund von 3,2 Billionen US-Dollar an offiziellen Devisen ist der Verkauf von 0,66 % gering. Verkäufe kommen als Instrument zur Stabilisierung des Wechselkurses des Yuan mit dem US-Dollar immer wieder vor. Unabhängig davon verraten die Daten auch, dass es sich bei den Verkäufen um ein Umschichten der US-Dollar-Reserven von langfristigen Staatsanleihen hin zu Agency-Anleihen handelt.29 Zu guter Letzt hat China seit 2007 die intensive Umwandlung der eignen US-Dollar-Reserven in US-Dollar-Assets und US-Dollar denominierte Kredite betrieben.30 Eine Umwandlung von einer Funktion des US-Dollars in die andere unterstützt nicht die These der Entdollarisierung. Sie deutet aber auf die letzte hier maßgebliche Funktion des Dollars hin, die es noch zu untersuchen gilt.

Finanzierungswährung:
Der US-Dollar breitet sich aus

Am deutlichsten zeigen sich Lufts Versäumnisse darin, dass sie die Rolle des US-Dollars als Finanzierungswährung nicht berücksichtigt. Dabei sind ungefähr 25 % des weltweiten BIPs auf in US-Dollar denominierte Kredite zurückzuführen. Der US-Dollar hält hier einen Anteil von knapp unter 50 %, 33 % macht der Euro aus. Statt eines Rückgangs können wir in langfristiger Betrachtung eine stetige Ausweitung des US-Dollar-Systems erleben.

Besonders brisant: Kreditnehmer aus den »aufstrebenden Volkswirtschaften« machen nun 19 % der globalen Gläubiger in US-Dollar denominierten Kreditfinanzierung aus.31 Diese wurden in Folge der Finanzkrise nach 2008 maßgeblich über die Vergabe von in US-Dollar denominierten Krediten in das Dollarsystem integriert.32 In relativ kurzer Zeit wiederholte sich hier der Prozess der Integration Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg.33 Gerade die schwächeren Länder müssen Schulden in Dollar emittieren, um Geber anzulocken und sind auf den globalen Finanzmärkten in besonderer Weise auf die günstigsten Kredite angewiesen: US-Dollar-Kredite. Ganz im Gegensatz zu Lufts Annahme können wir daher beim wirtschaftlichen Wachstum der aufstrebenden Volkswirtschaften wie der anderen Länder des globalen Südens keinen Rückgang der Abhängigkeit vom US-Dollar, sondern vielmehr eine vertiefte Integration mit all ihren Vor- und Nachteilen erkennen.

Entdollarisierung?
Wo bleibt die Alternative?

Die dargestellten Stärken des US-Dollar-Systems führen dazu, dass sich eine Änderung nicht nur langsam, sondern schleichend vollziehen wird und es bleibt mehr als fraglich, ob darin eine Entdollarisierung zu erkennen ist. Eine Bedeutung für den Epochenwandel anzunehmen scheint nach allem, was wir wissen, als übertrieben.

Die zu beobachtenden Schwankungen sind nicht der geradlinige Niedergang, als der er dargestellt wird. Eine bewusste Schaffung oder Entstehung einer Alternative wäre maßgeblich für den Prozess der Entdollarisierung.34 Luft legt zu diesem zentralen Punkt nichts Substanzielles vor. Sie verweist auf die Pläne der BRICS, eine auf Gold basierte Währung einzuführen.35 Es bleibt jedoch unklar, wie dies angesichts der massiven Handelsdefizite zwischen den BRICS-Staaten umgesetzt werden soll. Weder der gescheiterte Rivale Euro noch der japanische Yen werden erwähnt, lediglich die Bedeutung des Yuan als drittwichtigste Handelswährung ab 2030 wird betont. Diese Aussage bleibt spekulativ, da der Yuan im Vergleich zum US-Dollar eine geringe Rolle spielt, die Währung nicht konvertierbar und das chinesische Finanzsystem nach wie vor geschlossen ist.

Anhand der angeführten Aspekte und darüber hinaus lassen sich keinerlei Anzeichen für eine Entdollarisierung im Sinne einer bewussten und erfolgreichen Ablösung des US-Dollars als Weltwährung feststellen, weder empirisch noch theoretisch. Die Verwendung von Währungsalternativen kann die wirtschaftliche und politische Macht des US-Imperialismus beschränken, er wird bei bestimmten Aspekten der Kontrolle, Überwachung und Strafmaßnahmen weniger stark auf das US-Dollar-System setzen können. Der Weg dorthin ist jedoch lang und ungewiss.

1 Luft, Christa (2023): Von der ›Zeitenwende‹ zum Epochenbruch Symptome, Kritik du Herausforderungen für die ökonomische Wissenschaft. Marxistische Blätter Beilage 5/6 2023.

2 Ibid. 9–11.

3 Ibid. 18.

4 Ibid. 9.

5 Ibid. 10.

6 Hierzu hilfreich Wolfgang Möhl, Theo Wentzke (2007): Das Geld, Lucas Zeise (2010): Geld, Stephan Krüger, Klaus Müller (2020): Das Geld.

7 David McNally (2023): Blut und Geld. Krieg, Sklaverei, Finanzwesen und Imperium. Berlin: Dietz.

8 Tony Norfield (2017): The City: London and the Global Power of Finance. New York, London: Verso Books.

9 Daniel McDowell (2023): Bucking the Buck. US Financial Sanctions and the International Backlash against the Dollar. Oxford: Oxford University Press.

10 Schwarz, Mark Hermann: The Dollar and Empire. How the US-Dollar shapes geopolitical power. https://www.phenomenalworld.org/analysis/dollar-and-empire/.

12 Luft a. a. O. (12).

13 Ibid. 10.

14 Ibid. 11.

15 Ibid. (10–11).

16 Aus Platzgründen verzichte ich an dieser Stelle zu Ausführungen zum US-Dollar als Verkehrswährung für Devisengeschäfte. Der Anteil des US-Dollar beträgt hier ca. 80 %. https://www.bis.org/speeches/sp230324a.pdf.

17 Etwa Bafundi Maronoti (2022): Revisiting the international role of the US dollar. BIS Quaterly Review 12/2022 https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt2212x.htm.

18 BIS (20202): US dollar funding: an international perspective. CGFS Papers No 65 https://www.bis.org/publ/cgfs65.pdf.

27 Beispielsweise: Tombini (2023) https://www.bis.org/speeches/sp231028.htm.

30 Zongyuan Z. Liu (2023): Sovereign Fungs. Cambridge/London: Harvard University Press.

33 Mehrling a. a. O.

34 Das US-Dollar-System ist ebenfalls nicht bewusst geschaffen worden, sondern hat sich nach 1971 graduell entwickelt (siehe Merhling 2022).

35 Luft a. a. O., 4.

Die Theorie ist eine revolutionäre Kraft

Jenny Farrell

Das zweite Treffen theoretischer Publikationen und linker Bewegungen fand vom 12.–14. Februar 2024 in Havanna statt. Die Konferenz wurde von der Zeitschrift »Cuba Socialista«, theoretisches und politisches Organ der Kommunistischen Partei Kubas einberufen.

Die Einheit angesichts imperialistischer Völkermorde, des Genozids Israels in Gaza und die Rückkehr des Faschismus auf die internationale politische Bühne gehörten zu den aktuellen Problemen, die eine wesentliche Rolle in den Beratungen spielten. Zweiundneunzig Delegierte, siebenundvierzig Delegationen aus fünfunddreißig Ländern nahmen an dem Treffen teil. Aus dem deutschsprachigen Raum war neben »Marxistische Blätter« noch »Amerika21« vertreten. Rogelio Polanco Fuentes, Mitglied des Sekretariats des Zentralkomitees der PCC und Leiter seiner Abteilung für ideologische Arbeit, erklärte, dass »der Kampf der Ideen angesichts der überwältigenden Allgegenwart des Kapitals dringlicher als je zuvor« sei.

Zum Thema der Eröffnungsveranstaltung, der unabdinglichen Einheit der Linken ohne Verlust eigener Spezifika, sowie zur Überwindung doktrinärer Fallen ohne Aufgabe der Theorie, referierte Dr. Elier Ramírez Cañedo, Mitglied der Zentralkomitees der PCC und stellvertretender Direktor des Fidel Castro Ruz-Zentrums. Er betonte die Bedeutung des ideologischen Kampfes in der heutigen Welt sowie die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns theoretischer Zeitschriften im Aufzeigen von Möglichkeiten konkreten Eingreifens.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783961703722
ISBN (PDF)
9783961706723
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (April)
Schlagworte
Marxistische Blätter

Autor

  • Lothar Geisler (Leitende:r Herausgeber:in)

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Titel: Marxismus – Nicht nur für Einsteiger